Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
Vom Netzwerk:
zur Eröffnung der Neue Eisenbahn-Alpentransversale ( NEAT )
wird.
    Ihr Eisenbahnsystem mag überragend sein, aber die
Schweizer sind so an Pünktlichkeit, Qualität und Service gewöhnt, dass sie
diese Tugenden für selbstverständlich halten. Und wenn sie erst im Zug sitzen,
verhalten sie sich wie die Bürger anderer Nationen auch: Sie lesen, hören Musik
aus ihrem MP 3-Player, dösen, plaudern
und simsen – der Mobilfunkempfang ist sogar in den Tunneln gut. Und die meisten
beachten die Naturschönheiten draußen vor dem Fenster gar nicht. Aber für
Touristen und noch nicht übersättigte Zugereiste wie mich sind Schweizer Züge
mehr als ein Mittel zum Zweck, sie haben ihren eigenen Reiz. Man muss kein
Trainspotter sein, um Freude an schnittigen, pünktlichen Zügen zu haben; und
man muss kein Tourist sein, um die Fahrt im Innern des Eigers zum Jungfraujoch
aufregend zu finden. Da reicht es, ein Mensch zu sein.

✚
    Survival-Tipp
Nummer 10
    Verkehrsetikette
    Das Leben in der Schweiz ist
weitgehend von offiziellen und inoffiziellen Regeln bestimmt, und das Reisen
macht da keine Ausnahme. Hier sind die goldenen.
    Regel eins: Stellen Sie sich niemals
irgendwo an, wenn es nicht sein muss. So höflich sie sonst sein mögen,
Schweizer können nicht Schlange stehen, folglich wird diese Regel gewissenhaft
befolgt.
An Bushaltestellen, Bahnsteigen und Seilbahnstationen herrscht eifriges
Gerangel. Da heißt es, Ellbogen raus, und jeder Mann, jede Frau, jedes Kind
drängelt, was das Zeug hält. Aus der Tram auszusteigen kann in einen Kampf
gegen die hereindrängenden Menschenmassen ausarten, auch wenn genug Zeit und
Platz für alle ist. Sind aber die Plätze begrenzt, wie in Seilbahnen, stehen
nur die Touristen ordentlich Schlange und ziehen dann meist den Kürzeren. In
solchen Situationen empfiehlt sich der „Schweizer Sidestep“: Man fängt hinten
an, rückt langsam am Rand der Schlange vor und schlängelt sich an
nichtsahnenden Touristen vorbei, bis man recht weit vorne ist und sicher mit
einem Platz rechnen kann. Die meisten Schweizer haben diesen Sidestep
perfektioniert, und er kommt überall zum Einsatz: nicht nur beim Warten auf
öffentliche Verkehrsmittel, auch vor Marktständen, an Büfetts im Restaurant, im
Gedränge der Fasnachtszuschauer – praktisch an jedem Ort, wo mehr als zwei
Leute warten. Kein Wunder, dass größere Postfilialen, Banken und
Bahnhofsschalter Wartenummern ausgeben.
    Regel zwei: Menschen soll man sehen,
aber nicht hören. In der Schweiz kann es vorkommen, dass man einen ganzen Tag
von Lärmbelästigung verschont bleibt. Nur wenige Autofahrer haben die Musik so
laut aufgedreht, dass die Luft vibriert, während sie an der Ampel warten. In
Zügen sind Ghettoblaster praktisch unbekannt, die meisten Geschäfte verzichten
auf Musikberieselung, und pfeifende Fußgänger trifft man selten an. Das liegt
nicht daran, dass die Schweizer puritanische Spielverderber wären, vielmehr
respektieren sie die Privatsphäre und das Ruhebedürfnis der anderen. Eine
Ausnahme bildet nur die Handysucht, die auch noch den reserviertesten Schweizer
in einen Menschen verwandelt, der jedermann an seiner Privatsphäre teilhaben
lässt. Früher hatten die Züge einzelne Wagen mit Handyverbot, aber seit
Dezember 2009
findet man diese nur noch in der ersten Klasse. Die Durchsetzung des Verbots
erwies sich als zu schwierig für die Schaffner, denn offensichtlich beschlossen
die Schweizer ausnahmsweise, kollektiv die Regeln zu brechen.
    Anderswo geht der Zusammenbruch der
öffentlichen Ordnung mit heftigeren Protestmaßnahmen eínher, doch für Schweizer
Verhältnisse war dieser Regelverstoß eine kleine Revolution.
    Regel drei: Richtig parken. Das
Parken am Straßenrand ist mit einem Farbcode geregelt, die Stellplätze sind
entsprechend umrandet. Wenn Sie sich an Weiß halten, kann nichts schief gehen,
aber Blau genügt manchmal auch. In bestimmten Straßen gibt es Parkuhren, und
jeder Platz hat eine Nummer, die an der Parkuhr einzugeben ist. Es hat eine
Weile gedauert, bis ich das System durchblickt habe, vor allem weil es kein
Ticket für die Windschutzscheibe gibt. Wenn Sie aber einen Stellplatz mit der
Markierung
CAR
sehen, fahren Sie schnell weiter, denn obwohl Englischkundige es vermuten
könnten, ist er nicht für Autos bestimmt. Auf diesen etwas größeren

Weitere Kostenlose Bücher