Der Schweizversteher
Flächen
dürfen nämlich nur Busse stehen, die auf Französisch und Schwyzerdütsch car
heiÃen.
Regel vier: Lernen Sie, wie man über
die StraÃe geht. Der StraÃenverkehr in der Schweiz ist nicht so
nervenzerfetzend wie in Kairo oder Bangkok â Ihr Leben als FuÃgänger ist selten
in Gefahr â, aber die Lage ist auch nicht ganz so unkompliziert, wie sie
aussieht. Das hängt mit den Ampeln zusammen. Wenn eine vorhanden ist, sollten
Sie auf das grüne Männchen warten, ehe Sie die Fahrbahn betreten, auch wenn
kein Auto kommt. Dabei geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch darum, den
Kindern ein gutes Beispiel zu geben. Selbst wenn keine Kinder zu sehen sind,
könnte ja eines aus einem nahe gelegenen Fenster schauen, und als
verantwortungsbewusster Erwachsener sollten Sie sich korrekt verhalten. Daneben
wäre noch das geringe BuÃgeld von 20 Franken zu bezahlen, falls Sie
sich bei diesem Verkehrsdelikt erwischen lassen. Allerdings ist mir kein Fall
bekannt, in dem es verhängt worden wäre.
Wenn jedoch Ampeln fehlen, können Sie
getrost über den Zebrastreifen gehen. Dann müssen die Autos nämlich halten â
FuÃgänger haben Vorrang. Schweizer betreten stets beherzt den Zebrastreifen,
denn sie vertrauen darauf, dass die herannahenden Fahrzeuge bremsen. Und das
tun sie auch, nicht zuletzt weil sonst eine Strafe von 140
Franken droht.
An StraÃenübergängen fällt die
Unterscheidung zwischen Schweizern und Touristen leicht: Schweizer sind jene,
die an der leeren StraÃe pflichtschuldig ausharren, bis die Ampel dem nicht
vorhandenen Verkehr Einhalt gebietet und das grüne Männchen erscheint. An
Ãbergängen ohne Ampel stürzen sie hingegen auf die Fahrbahn, ohne auf den
Verkehr zu achten; nur die Trambahn lassen die meisten klugerweise
vorüberrumpeln.
Selbstverständlich sind es die
Touristen, die das System versagen lassen. Als FuÃgänger tun sie immer das
Gegenteil des Erlaubten: Da warten sie an leeren StraÃen nicht auf das grüne
Männchen, zögern aber, verkehrsreiche Kreuzungen zu überqueren. Und als Fahrer
sehen sie sich mit zahllosen Schweizer FuÃgängern konfrontiert, die scheinbar
durch einen beherzten Sprung vor ihre StoÃstange aus dem Leben scheiden wollen.
Vielleicht entsteht die Verwirrung ja dadurch, dass die Zebrastreifen gelbe
statt weiÃe Streifen haben, also das namengebende Zebra wohl Gelbsucht gehabt
haben muss. Wespenstreifen wäre die passendere Bezeichnung.
Als nicht Schweizer Einheimischer
wähle ich nach Möglichkeiten
das Beste aus beiden Welten. Ich schreite hinaus auf ampellose Ãberwege, teile
den flutenden Verkehr wie ein moderner Moses, ignoriere aber auch eigensinnig
das rote Männchen, wenn die StraÃe frei ist. Das funktioniert. Bis jetzt
wenigstens.
â
Heidiiiâ¦!
Von einem kleinen Mädchen,
das zur Ikone der Nation wurde
Wenn man auf der A 12 von Bern Richtung
Südwesten unterwegs ist, heiÃt es zuerst noch Ausfahrt nach Düdingen oder St. Wolfgang und dann auf der Höhe von Granges-Paccot und
Givisiez plötzlich Sortie . Dasselbe erlebt man im
Zug, wo die freundliche Ansagerin von Nächster Halt ohne Vorwarnung zu Prochain arrêt wechselt. Die
Landschaft, die drauÃen vorbeizieht, sieht immer noch aus wie eine knubblige
Daunendecke, und rot-weiÃe Schweizer Fahnen flattern weiterhin in den Gärten,
doch wenn man die Schilder und Werbeplakate liest, fühlt man sich woandershin
versetzt. Sie belegen, dass man einen sprachlichen Grand Canyon überquert hat,
den man hier Röstigraben nennt (siehe Romandie-Karte)
â was auf die Tatsache anspielt, dass die Deutschschweizer im Gegensatz zu
ihren französischsprachigen Landsleuten Rösti lieben.
Zwar ist der Graben unsichtbar, aber man weià sofort, wann man ihn überschritten
hat. Und er zählt zu den wichtigeren der vielen Dinge, die die Schweiz zu dem
machen, was sie ist.
Für viele Länder vor allem in Europa ist die Sprache
unverzichtbarer Bestandteil ihrer nationalen Identität. Italien ist Italien und
Polen ist Polen, weil alle Leute dort dieselbe Sprache sprechen (zumindest war
das einmal so). Zwar spielt die Sprache auch eine wichtige Rolle bei der
Definition der Schweizer Identität, aber doch auf ganz andere Weise. Denn hier
gibt es nicht nur eine, sondern gleich vier Nationalsprachen, und gerade diese
Mehrsprachigkeit macht die
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