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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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Schweiz zu etwas Besonderem. Ohne das Tessin und die
Romandie wäre die Schweiz nur ein kleines deutschsprachiges Land, ein zweites
Österreich, und nichts würde den Schweizern mehr gegen den Strich gehen. Aber
umgekehrt gilt auch, dass das Tessin und die Romandie, wenn sie nicht zur
Schweiz gehören würden, nur entlegene vernachlässigte Provinzen großer,
zentralistischer Staaten wären. Und man ist doch lieber ein kleiner Fisch in
einem kleinen Teich als eine Alge in einem großen See.
    Diese ungewöhnliche Situation kommt jedem gelegen.
Mögen sich auch die Deutschschweizer über das mangelnde Arbeitsethos in den
anderen Gebieten beschweren und lamentieren, wie unorganisiert, wenig
zielgerichtet und einfach unschweizerisch es dort zugeht, insgeheim beneiden
sie die französischen und italienischen Kantone um ihren Humor und ihre
Lebensfreude und das Glas Wein zum Mittagessen. Die Frankoschweizer wiederum
sind eher proeuropäisch und weniger nationalistisch, wie Referendenabstimmungen
immer wieder zeigen (so votierten in der Ausschaffungsinitiative 2010
nur fünfeinhalb Kantone gegen die zwingende Ausweisung, bis auf Basel-Stadt
alle französischsprachig; und 1992 haben sich alle französischsprachigen Kantone
für den EU -Beitritt ausgesprochen). Zwar klagen sie
über die Arroganz der Deutschschweizer, aber hier können sie in nationalen
Angelegenheiten mitbestimmen, was in Frankreich nicht der Fall wäre. Und die
Tessiner, die seit 1999
keinen Sitz im Bundesrat mehr hatten, fühlen sich lieber von Bern ignoriert,
als dass sie sich von Rom regieren lassen wollten.

Mit Zungen reden
    Man wird an allen Ecken und Enden darauf gestoßen,
dass die Schweiz ein mehrsprachiges Land ist. Im Intercity von Basel nach
Zürich – zwei deutschsprachige Städte – ist man einer Flut von Sprachen
ausgesetzt. Die höfliche Dame sagt alles dreimal an, damit auch jeder im Zug
sie versteht. Sie heißt einen herzlich willkommen und wünscht eine gute Reise,
gibt bekannt, dass Erfrischungsgetränke und kleine Snacks im Bistro in der
Zugmitte erhältlich sind und dass das Zugpersonal zur Verfügung steht, falls
man irgendwelche Fragen hat oder weitere Informationen wünscht. Ungeheuer
informativ und ungeheuer langatmig: Bis man es zuerst auf Deutsch, dann auf
Französisch und schließlich auf Englisch gehört hat, ist man schon beinahe in
Zürich. Solche mehrsprachigen Ansagen sind in der Schweiz die Regel,
interessant ist allerdings, dass eine der Sprachen häufig Englisch ist. In
Zügen Richtung Italien sind die schriftlichen Hinweise, die es im Zug und auf
den Bahnhöfen reichlich gibt, auch auf Italienisch abgefasst. So ermahnen einen
große Schilder auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch, nicht die
Gleise zu überqueren; man kann ihre Bedeutung also nicht missverstehen. Wobei
im Grunde die englische Warnung reichen würde, denn welcher Schweizer käme je
auf die dummdreiste Idee, unvorschriftsmäßig an nicht markierten Stellen zu
queren?
    Aber nicht nur Sicherheitshinweise werden in einer
ganzen Sprachenpalette gegeben. Beispielsweise müssen auch
Lebensmittelverpackungen alle Informationen auf Deutsch, Französisch und
Italienisch liefern. Sämtliche Inhaltsstoffe, dazu Nährwerte,
Gesundheitsgefahren und allergische Risiken sowie Produktinformationen werden
in drei Sprachen aufgeführt – ich frage mich, womit eigentlich englische oder
deutsche Hersteller den vielen Platz auf ihren Cornflakesschachteln und
Joghurtbechern füllen. Sogar die brutalen Warnungen auf Zigarettenschachteln
werden dreisprachig gegeben, unter Rauchen ist tödlich steht Fumer tue und Il fumo uccide .
Keine Chance, den Hinweis auf den Sensenmann zu ignorieren. Bis man alles
durchgelesen hat, ist einem der Lebenswillen wahrscheinlich genauso gründlich
vergangen wie die Lust auf eine Zigarette.
    Die Schweizer sind wirklich eine polyglotte Nation,
viele wechseln ohne Mühe zwischen den Sprachen hin zu her. Schon in der
Grundschule lernen die Kinder eine zweite Nationalsprache, in den deutsch- und
französischsprachigen Kantonen meist die jeweils andere, wohingegen die
italienischsprachigen Kleinen gleich beide lernen müssen. In vielen Schulen
wird daneben noch Englisch unterrichtet, und zwar von derselben Klassestufe an.
Vor ein paar Jahren tobte in Zürich ein Sturm der Entrüstung, weil man dort
beschlossen

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