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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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dem
Fischer-Technik-Baukasten aufgestellt werden, um zu zeigen, wie hoch sie einmal
in den Himmel ragen sollen. Das sieht zwar seltsam aus, vermittelt aber jedem
eine Vorstellung davon, was geplant ist, sodass er seine Einwände vorbringen
kann. Für Baugenehmigungen ist also nicht nur die Zustimmung eines Gremiums
nötig, sondern auch der Konsens der Anwohner.
    Die Schweiz gilt als teuer, was man grundsätzlich
nicht bestreiten kann, aber nicht alles ist hier mit einem Preisschild
versehen. Die Schweizer sagen gern, nichts im Leben sei umsonst, aber ein paar
der besten Dinge seien gratis. Zum Beispiel gibt es praktisch in jedem Ort
öffentliche Brunnen, aus denen kristallklares Alpenwasser sprudelt. Viele ziert
eine farbenprächtige mittelalterliche Skulptur, etwa die blinde Justitia oder
ein Kinder fressendes Ungeheuer. Und dann gibt es noch den Einpackservice. Das
Schöne am Shoppen in der Schweiz ist weder die große Auswahl an Uhren noch,
bedauerlicherweise, die Qualität des Service’, sondern das Einpacken. Das ist
nämlich kostenlos, sogar in der Vorweihnachtszeit, wenn am Einpacktisch mehr
Menschen anstehen als an der Kasse; dem als Geschenk verpackten Gaul schauen
die Schweizer nicht ins Maul. Vielleicht sind sie ja deshalb so reich geworden,
weil sie den Pfennig ehren – den eigenen wie den der anderen.
    Reich und gesund. In der Geschichte waren das die
beiden Gründe, aus denen man, abgesehen vom Skiurlaub, in die Schweiz kam. Es
ging um das Wohlbefinden physischer oder finanzieller Natur, man entzog sich
dem Zugriff des Sensenmannes oder des Fiskus. Im 19. Jahrhundert gab es für
verordnete Bettruhe keinen schöneren Ort als ein Schweizer Sanatorium. Lange
bevor Davos zur Quasselbude für die Reichen und Mächtigen wurde, war es ein
einziges Rekonvaleszentenheim. Robert Louis Stevenson schrieb den letzten Teil
der Schatzinsel bei einem Erholungsaufenthalt in
Davos, und in Thomas Manns Zauberberg übernahm der
Ort eine Hauptrolle. Heutzutage heißen Sanatorien Wellness- oder Kurhotels,
aber der Grundgedanke ist derselbe: Kommen Sie in die Schweiz, und werden Sie
gesund. Bei mir hat’s funktioniert. Und nachdem die Schweizer Banken nun
vorhaben, sich halbwegs an die Spielregeln zu halten, wird der Fiskus Sie wohl
früher drankriegen als der Sensenmann.
    Die Schweizer leben lang und in Frieden. Sie gehören
zu den gesündesten und reichsten Völkern der Erde, die durchschnittliche
Lebenserwartung von 81,9
Jahren wird nur von den Japanern übertroffen, und das Bruttoinlandsprodukt von 68 000
Dollar pro Kopf ist das vierthöchste weltweit. Aber wie dieses Kapitel gezeigt
hat, treffen die Eidgenossen nicht immer die klügsten Entscheidungen. Manchmal
spielen dabei Notwendigkeit oder Gier eine Rolle, meist aber liegt es daran,
dass sie sich auf die Ehrlichkeit der anderen verlassen. Sind sie in dieser
Hinsicht nun weltfremd oder altruistisch? Naiv oder berechnend? Wahrscheinlich
von allem ein bisschen. Das Land der Schweizer unterscheidet sich also gar
nicht so sehr von anderen Ländern; sie verpacken es nur hübscher.

✚
    Survival-Tipp
Nummer 5
    Bis 3 zählen kann doch jeder?
    In einer Fremdsprache zählen sollte
nicht schwer sein. Auch sprachlich Gehandicapte können sich wohl noch an die
Schulstunde erinnern, in der sie
un, deux, trois
gelernt haben. Oder an
den Ibiza-Urlaub, als sie
uno,
dos, tres
Bier bestellten. Und wir
Englischsprachigen kennen
eins,
zwei, drei
doch aus zahllosen
Kriegsfilmen. Aber in der Schweiz ist 1-2-3 genauso schwer wie das
Erlernen des Alphabets.
    Das Problem sind nicht die vielen
Sprachen, die ja kaum gleichzeitig gesprochen werden, außer man spielt zufällig
mehrsprachiges Bingo. Man stelle sich vor, wie zeitraubend das wäre:
two fat ladies eighty-eight, zwei
dicke Frauen achtundachtzig, deux grosses dames quatre-vingt-huit, due grasse
donne ottantotto
. Nein, das eigentliche
Problem für mich als Zahlenneuling war die Art und Weise, wie Schweizer mit
ihren Ziffern umgehen. Auf Englisch werden beispielsweise Telefonnummern Ziffer
für Ziffer angegeben:
021 364 7958
(alle Schweizer Telefonnummern, auch Handynummern sind zehnstellig). Dabei wird
jede einzelne Ziffer genannt und zwischen den drei Gruppen eine kleine Pause
gemacht. Ein Schweizer, der Englisch mit mir spricht, würde dieselbe Nummer
hingegen so vermitteln: zero twenty-one, three sixty-four, seventy-nine, fifty-eight.
Das

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