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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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noch.

    Mein Vater nannte die beiden offen Barbaren, Ági nannte sie heimlich Walrösser, weil sie sich ärgerte, daß ausgerechnet ihre Tochter Gefallen an ihnen fand und das mochte, was andere abstieß: daß sie ein bißchen waren wie Tiere. Ági hatte sich für Virág etwas Besseres gewünscht, einen Anwalt, einen Arzt, jemanden, von dem sie glaubte, er sei fein, aber niemanden mit dichtem Bart, in dem sich das Essen verfing, niemanden, der mit Boxhandschuhen auf einen Sack einschlug, mit einer Kraft, als wolle er jemanden töten, und der nach Schlägerei roch, wie Ági sagte, wenn er sich zu den anderen an den Tisch setzte. Mihálys weiße Haut hatte sich unter der Sonne feuerrot gefärbt, bereits an den ersten heißen Tagen. Als Mihály seinen Bart Ende des Sommers abrasierte, sagte Virág, er sehe aus wie ein Ritter mit weißer Maske, und ich glaube, es gefiel Mihály, als sie das sagte.

    Als sie Kinder waren, hatten Tamás und Mihály Käfern, die vor ihren Augen auf dem Wasser landeten, die Flügel ausgerissen und zugesehen, wie sie zitterten und zuckten, aber so etwas erzählten sie nur, wenn Virág nicht in der Nähe war. Auf dem Klassenfoto des Gymnasiums, das hinter dem Eingang auf einer Anrichte stand, saßen Tamás und Mihály mit langen Hosen nebeneinander in der ersten Reihe. Mit den Hosen versteckten sie die krummen Beine, erklärte ihre Mutter, die ihnen früher bei Tisch Bücher unter die Achseln geklemmt und einen Besenstiel unter das Hemd gesteckt hatte, damit sie lernten, aufrecht zu sitzen und mit angelegten Armen zu essen. Sobald der Besen sich bewegte, sobald ein Buch auf den Boden fiel, hatten sie den Tisch zu verlassen.

    Jetzt, wenn abends am See die Mücken ins Feuer flogen, die Männer rauchten und Bier aus der Flasche tranken, gab Mihály den Ton an, und alle hörten ihm zu - auch mein Vater. Er wußte über alles zu reden und zu allem etwas zu sagen. Wenn Isti fragte, warum der See abends seine Farbe verliere, erklärte er, warum. Er sprach von Brechungen und Licht und Sonne und Mond und redete und redete und gab Erklärungen, die wir nicht verstanden, aber mochten und uns merkten. Er wußte, was Staub, was eine Staubflocke war, die Ági mit einer Handbewegung wegwischte. Er wußte, was Sand war, in dem unsere Füße versanken, wenn wir am Ufer standen. Sand und Staub als Formel - das konnte er uns sagen, und uns gefiel, daß jemand wußte, was das alles war, um uns herum. Isti fand immer neue Dinge, nach denen er fragte. Wenn er neben Mihály schwamm, wurde er nicht müde, zu rufen, Was ist Licht?, Was ist Wasser?, Was ist Luft?, und Mihály erklärte es ihm. Für uns war Mihály eine Art Wahrheitsritter, vielleicht nur, weil Virág ihn so nannte. Einmal, als er uns fragte, wie das Meer aussehe, antwortete Isti, wie dieser See, so ähnlich, vielleicht etwas größer. Und Mihály sagte, ja, genau wie dieser See sieht es aus, nur größer.

    Wenn wir abends nicht zu ihnen gingen, kamen Mihály und Tamás zu uns auf die Veranda, wo Virág Fackeln aufgestellt hatte, damit die Mücken ins Feuer flogen. Sie ließen sich nicht abweisen, nicht von Ági, die sagte, sie habe weder gebacken noch gekocht, außer trockenen Keksen könne sie nichts anbieten, und nicht von Onkel Zoltán, der versucht hatte, sie mit einem Spazierstock zu verjagen, weil er sie im Licht der Fackeln für Einbrecher gehalten hatte. Wir saßen dicht nebeneinander auf der Terrasse, auf der man zu acht kaum Platz hatte, Schulter an Schulter, so dicht, daß ich trotz der Dunkelheit jedes Haar in Mihálys Bart sehen konnte, und die Funken, die von seiner Zigarette sprangen und hin und wieder ein Haar versengten. Ági knipste das Neonlicht in der Küche an, die Mücken setzten sich auf das Fenster hinter uns und färbten es schwarz. Mihály rief, her mit den trockenen Keksen, und alle lachten, Virág holte Bier aus einer kleinen Wanne mit Wasser, die sie unter die Treppe geschoben hatte, und reichte Mihály eine Flasche. Mihály legte seine Hände um Virágs Hände, lang genug, um ihr damit etwas zu bedeuten, und kurz genug, daß es den anderen nicht auffiel.

    Manchmal schliefen Tamás und Mihály neben meinem Vater auf der Veranda, als wollten sie das Haus bewachen, und Isti und ich, wir hörten ihre Stimmen bis tief in die Nacht, und wir mochten es, wenn sie dort unten auf den Fliesen lagen und so taten, als sei dieses Haus eine Festung, die sie zu schützen hatten - sogar Ági mochte es. Morgens fragten sie Ági, was zu

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