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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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verbrachte, auf dem Bett zu liegen und zu dämmern, seit er angefangen hatte, Dinge ohne Ton zu hören, hatte ich Angst um ihn, und ich wurde diese Angst nicht mehr los.

    Hier am See, abends, nachts, wenn Isti auf seine Streifzüge ging und ich unterm Dach lag, warf ich in Gedanken Bilder auf das Holz über mir und wurde sie nicht mehr los, auch nicht, wenn ich einschlief. Ich hatte Angst, Isti würde nicht zurückkehren, jemand würde ihn finden, nach Tagen, unter Rebstöcken, unter einem Baum, auf einem Feld oder am Wegrand, an der Abzweigung zur großen Straße nach Siófok, mit leeren Taschen, das helle Futter der Hose herausgezogen, die Knie aufgeschlagen. Wenn Isti hinausschwamm, allein, hatte ich Angst, er würde zuviel Wasser schlucken und untergehen, und man würde ihn vergeblich suchen, mit den wenigen Booten ohne Motor und großen Lichtern, die man übers Wasser hält. Oder ich dachte, Isti liegt auf einer Sandbank, kann nicht weiter, schläft ein, wird weggetragen von den Wellen, und später entdeckt ihn ein Kind beim Spielen am Schilf. Man ruft meinen Vater, bestellt ihn zum See, man sagt, ein Junge wurde gefunden, mein Vater geht zum Ufer, ein Polizist läuft vor ihm, zeigt ihm den Weg, und unten am Wasser liegt dieser Junge unter einem Tuch, ein Polizist schlägt es zur Seite, er fragt, kennen Sie ihn?, und mein Vater sagt, ja.

    Selbst wenn Isti Hühnchen aß, hatte ich Angst um ihn. Ich hatte Angst, er würde sich verschlucken, ein winziger Knochen würde in seinem Hals steckenbleiben, Isti würde rot anlaufen, nach Luft schnappen, husten, mit dem Stuhl nach hinten kippen, die Tischdecke mitreißen und fallen, vorbei an Zoltáns großen Händen, an Ágis Schultern. Wir würden auf seinen Rücken schlagen, auf seine schmale Brust, Ági würde schreien, mein Vater würde Isti an den Knöcheln fassen, ihn kopfüber hängen und schütteln, dabei auf seine Füße schauen, die langsam aufhören würden, sich zu bewegen. Es gab Zeiten, in denen meine Angst so groß wurde, daß ich Isti nicht mehr aus den Augen ließ. Ich verbot ihm, das Haus zu verlassen, ich fand Ausreden, warum er nicht schwimmen könne, nicht in den nächsten Tagen, und ich sagte ihm, er dürfe nichts vom Hühnchen essen, das Ági aufgetischt hatte, und Isti hielt sich daran.

    Als unser erster Sommer am See zu Ende ging, fragte Isti, wieso die Blätter an den Bäumen zitterten, wieso die Wolken die Sonne versteckten, und ob nicht jemand dafür sorgen könne, daß der See abends seine Farbe nicht verliert, Mihály vielleicht? Wenn Ági die Fenster mit einem Stück Leder putzte und dabei dieser Ton entstand, von dem Isti meinte, er klinge schlimmer als eine Maus, die man in einem Karton gefangenhält, oder wenn Zoltán im Zimmer unter uns schnarchte, zur Mittagszeit, schrie Isti, er solle damit aufhören, sein Schädel drohe zu platzen, und Ági brüllte zurück: Leben hier nur Verrückte. Weil es schon zu kalt war, um zu baden, lag Isti auf dem Bett und starrte an die Decke. Er hörte Geräusche, die es hier nicht gab, und bald vertrieben wir uns beide die Zeit damit, auf dem Bett zu liegen und etwas zu hören, von dem ich weiß, Isti hat es wirklich gehört, nicht nur in seiner Vorstellung.

    Wir riefen Töne und Klänge ab, die sich irgendwann in unsere Erinnerung geschoben hatten wie Träume und Abfahrtszeiten. Am liebsten, wenn es um uns herum still war, wenn Zoltán schlief und mit ihm das ganze Haus in eine Art Schlaf fiel. Wir setzten sie in unser Ohr, diese Töne, einen Wagen, der über Kies rollt, einen Zug, der einfährt, ein Horn, dessen Klang übers Wasser getragen wird. Das einzige, was wir wirklich hätten hören können, war, wie Ági unten in der Küche ihren Ring an ihrer Schürze polierte, obwohl jeder sagen würde, das Polieren eines Rings kann man nicht hören, es hat keinen Ton. Wenn Virág zu uns unters Dach stieg und fragte, warum wir tagsüber auf den Betten liegen, sagten wir, wir hören Geräusche, und dann fragte sie Isti, was hörst du jetzt?, öffnete die Dachluke, schloß sie wieder, und Isti antwortete, die Wellen auf dem See. Und jetzt?, fragte sie weiter, wedelte mit beiden Armen über ihrem Kopf, und Isti lachte und fragte zurück, ist es ein Orkan, ein Wirbelsturm? Virág sagte, es sei das beste Spiel, weil man nichts weiter bräuchte als seine Ohren, und Isti erwiderte, nicht mal die braucht man.

    Obwohl Virág es versprochen hatte, kehrte der Sommer in diesem Jahr nicht mehr zurück, nicht mal mehr

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