Der Schwimmer: Roman (German Edition)
anzünden wollen, hätte sie es bloß an diese Haut zu halten brauchen. Ági hatte Tücher in kaltes Wasser getaucht und die Waden des Mädchens gewickelt, und Virág hatte auf seine Arme und Stirn gepustet, mit kleinen spitzen Lippen, um sie abzukühlen. Das Kind hatte aufgehört zu weinen, war ein letztes Mal in einen kurzen Schlaf gefallen, und als es seine Augen wieder öffnete und seine Hände anfingen zu beben, war Zoltán mit dem Fahrrad an den See gerast und hatte so laut um Hilfe gerufen, daß man aus den Häusern ringsum auf die Straße geeilt war, im Nachthemd, im Morgenmantel, in Unterwäsche, und zusammen mit Zoltán an die Fensterläden getrommelt hatte, hinter denen der Arzt und seine Frau schliefen.
Bis der Arzt das Licht angeknipst, seinen Mantel übergezogen, nach seiner Tasche gegriffen hatte, den Hang mit seinem Fahrrad hochgefahren und hinter Zoltán über den Kieselweg gelaufen war, bis er die Tür hinter sich geschlossen, Ági die Hand gereicht, Virág über das Haar gestrichen, das Kind befühlt, sein Ohr an seine Brust gelegt und der Mutter das Jesusmaria, Jesusmaria verboten hatte, hatte Virágs Schwester aufgehört zu atmen, und der Arzt hatte nicht mehr getan, als ihre Lider mit zwei Fingern hinabzuziehen. So, sagte Ági, nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände und legte dann zwei Finger auf meine Augen, um es mir zu zeigen. So, wiederholte sie, als ich die Augen öffnete, und zog meine Lider noch einmal nach unten.
Ági hatte das Kind in helles Tuch gewickelt und seinen Sarg mit Blumen ausgelegt. Zwei Blumen für jeden Tag, an dem es gelebt hatte, eine für den Tag, eine für die Nacht. Der Himmel war an diesem Vormittag blau gewesen, ohne Wolken, und Zoltán hatte alle Heiligen verflucht, weil keiner von den Trauergästen sagen konnte, heute weint sogar der Himmel. Die Sonnenstrahlen hatten bis zur Kanzel, bis zum Kopf des Pfarrers gereicht, selbst das Fensterglas an den Seiten hatte das Licht nicht brechen können. Virág, mit dunkler Schleife im Haar, hatte zwischen ihren Eltern gesessen, hatte ihre Füße in schwarzen Schuhen aus Lack, mit Spangen auf dem Spann, über dem Boden kreisen lassen, die eine Hand im Schoß der Mutter, die andere im Schoß des Vaters, der den Kopf gesenkt gehalten hatte, während der ganzen Trauerfeier. Nach den letzten Worten des Pfarrers hatte auf ein Zeichen die Orgel eingesetzt, jemand öffnete die Kirchentür, zu früh, und ein Windstoß, der einzige an diesem Tag, drang ins Kirchenschiff, so heftig, daß die Frauen ihre Kopftücher festhielten. Die Flammen der Kerzen gingen aus, und der Rauch stieg langsam hoch zum Altarbild, als die Orgel den letzten Ton spielte. Ági hatte Virágs Hand fester umfaßt und dem Rauch so lange nachgeschaut, bis er sich aufgelöst hatte.
Auf dem Weg zum Friedhof waren Zoltán, Ági und Virág in der ersten Reihe gegangen, hinter den Sargträgern, die versucht hatten, mit ihren Füßen keinen Staub aufzuwirbeln. Virág hatte sich am Mantel der Mutter festgehalten und auf das Geräusch gehört, das von mindestens zweihundert Schuhen auf den Steinen kam. Über ihrem Kopf, zum Greifen nah, flatterte ein Vogel, ein kleiner, dunkler, der schnell und unruhig die Flügel schlug und sich kaum von der Stelle bewegte. Hinter Virág hatte man leise gesprochen, nur geflüstert, aber Zoltán hatte sich umgedreht und gezischt, haltet den Mund, jetzt, dieses eine Mal, haltet euren Mund.
Als die beiden Männer angefangen hatten, den Sarg hinabzulassen, hatte Zoltán geschrien und ihnen verboten, den Sarg auch nur einen Zentimeter weiter zu bewegen. Wenn sie nicht aufhörten, würden auch sie dort unten landen, hatte er gedroht, auf nasser Erde, und Virág hatte hinabgesehen und sich vorgestellt, wie sie dort liegen würden, die beiden. Die Männer hatten den Pfarrer angeschaut, er hatte die Schultern hochgezogen, der Sarg in den Seilen hatte angefangen zu zittern und zu pendeln, und Zoltán hatte gebrüllt, sie sollen aufhören damit, den Sarg so pendeln zu lassen, und dann hatte ihn jemand weggebracht.
Virág sagte, es sei Zsófis Mann Pista gewesen, der Zoltán gepackt, zurück zur Kirche gezerrt und ihm sein Stofftaschentuch gereicht hatte, damit er sich schneuzen konnte. Später erzählte man im Dorf, Zoltán habe sich im See ertränken wollen. In einem Boot sei er hinausgerudert, und weit draußen, dort, wo man vom Ufer aus niemanden mehr erkennen könne, sei er ins Wasser gesprungen, das eisig gewesen sei an diesem ersten
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