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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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alles einfach, was? Gut oder schlecht, schwarz oder weiß, heilig oder sündig – so also sieht Ihre Hoheit Doña Isabella die Welt.«
    Ich erstarrte, getroffen von seinem verächtlichen Ton.
    »Ich aber nicht.« Er steuerte auf die Karaffe auf der Anrichte zu. Obwohl er sich für die Abstinenz ausgesprochen hatte, hatte ich entdeckt, dass Fernando am Abend, wenn wir allein waren, durchaus gerne ein wenig Wein genoss und hatte Inés angewiesen, dafür zu sorgen, dass immer etwas bereitstand. Als er sich einschenkte, fragte ich mich allerdings, welche überraschenden Erkenntnisse ich noch über ihn gewinnen würde.
    »Ich sehe all die Grauschattierungen dazwischen«, fuhr er fort. »Ich sehe, dass Menschen sowohl gut als auch böse sind, dass wir zu großem Unheil, aber auch zu großen Opfern in der Lage sind. Anders als du weiß ich, dass auf dieser Welt nichts so einfach ist, wie wir immer denken.«
    Ich musterte ihn nachdenklich. »Du hast zweifellos recht«, sagte ich schließlich. »Besonders viel weiß ich wirklich nicht. Aber ein Dispens von Seiner Heiligkeit ist entweder legal, oder er ist es nicht. Und laut dem König ist der Erlass, den dein Vater und Erzbischof Carrillo für uns erwirkt haben, ungültig.«
    »Meinen Vater trifft keine Schuld. Er hat diesen Dispens in Rom beantragt. Wiederholt sogar. Aber Papst Pius, dieser aufgeblasene Esel, hat uns ständig hingehalten. Am Ende hat er ihn uns geschickt, wie du selbst gesehen hast, aber er hat betont, dass er erst nach der Eheschließung gültig wird. Wie konnte irgendjemand wissen …«
    »Papst Pius ist seit fünf Jahren tot«, unterbrach ich ihn. »Den Dispens hätte Papst Paul ausstellen müssen.« Ich sah ihn zusammenzucken. »Aber wenigstens hast du meine Frage beantwortet. Du wusstest offenbar, dass der Dispens eine Fälschung ist, und zwar schon vor unserem Gelübde.«
    »Isabella.« Er leerte seinen Kelch, trat nahe an mich heran und legte meine Hände in die seinen. »Dios mío« , murmelte er. »Du bist ja kalt wie Eis.«
    Ich entzog ihm meine Finger. »Ich mag es nicht, angelogen zu werden.«
    Ungeduldig stieß er den Atem aus. »Was, bitte, hätten wir denn tun sollen? Du hast mir geschrieben, dass du in Gefahr schwebst, dass Enrique danach trachtet, dich mit dem König von Portugal zu verheiraten, und dass du mich in Kastilien brauchst, und zwar unverzüglich. Aber Aragón führte Krieg gegen Frankreich; wir hatten nichts, um den Papst bestechen zu können, der abgesehen davon schon Villenas Ansinnen zugestimmt hatte, uns den Dispens zu verweigern.« Er blickte mir forschend in die Augen. »Ja, es trifft zu: Villena hat Botschafter nach Rom gesandt, um unsere Pläne zu durchkreuzen. Doch mein Vater hat Freunde in der Kurie, und unser eigener Kardinal Borgia von Valencia hat uns schließlich den auf Pius’ letztes Lebensjahr rückdatierten Dispens geschickt.«
    »Und die Unterschrift …?«
    Fernando wandte den Blick ab. »Carrillo hatte noch andere Dokumente in Pius’ Handschrift in seinem Besitz.«
    »Also hat ein Mann der Kirche den Namen des verstorbenen Papstes gefälscht.« Ich stellte mich ans Fenster. Draußen verdunkelte ein heftiger Graupelschauer die Sicht auf die Stadt. »Und jetzt beschuldigt mein Bruder, der König, dich und mich, in Sünde zusammenzuleben, weil unsere Ehe in Gottes Augen ungültig sei.«
    »Sie ist nicht ungültig.« Fernando zeigte keine Regung, doch in seiner Stimme schwang ein Flehen mit. »Carrillo hat mir versichert, dass wir nach weltlichem und kanonischem Recht mit Billigung der Heiligen, der Kirche und Gottes selbst unanfechtbar verheiratet sind.«
    »Man darf Gott nicht lästern.« Ich starrte zum Fenster hinaus, ohne irgendetwas zu sehen.
    »Der Dispens ist doch nur eine Formalie. Gut, wir sind Verwandte, aber bloß weitläufig. Es ist ja nicht so, als ob wir Bruder und Schwester wären. Königspaare mit sehr viel mehr gemeinsamem Blut in den Adern als wir haben es da schon weitaus schlimmer getrieben.«
    Ich fuhr zu ihm herum. »Siehst du es etwa so? Als einen Wettbewerb darin, mit was wir davonkommen können?«
    »Natürlich nicht. Ich meinte nur …«
    »Denn für mich ist das sehr wohl eine ernste Angelegenheit. Wir benötigen einen Dispens. Ob er nur eine Formalie darstellt oder nicht, tut nichts zur Sache. Der Name und die Unterschrift des Heiligen Vaters sind gefälscht worden. Wir müssen für Recht sorgen. Wir müssen eine neue Unbedenklichkeitserklärung beantragen – eine, die dem

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