Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
Herrscher unternahmen, war ich so klug, meinen Schmerz zu verbergen. Die Umstände verboten es, sich persönlichen Gefühlen hinzugeben. Doch immerhin gab es auch jene Momente nach dem Speisen im Kronsaal, da Fernando sich unsicher zu mir umwandte. Jedes Mal wollte ich nicken, verzeihen, mich ergeben; ich wollte ihn wieder spüren, seinen eng an mich geschmiegten Körper fühlen. Aus Scham über meine Fleischeslust legte ich bei Fray Talavera Beichte ab. Er riet mir, dass ich nicht zulassen durfte, dass die Verfehlungen meines Gemahls den heiligen Gehorsam verdrängten, den ich Fernando als seine Ehefau schuldete. Fray Talavera ging nicht so weit, mich auch an meine Pflicht als Königin zu erinnern, doch was er indirekt sagte, war klar: Auch wenn unsere Tochter, Isabél, gesund war, wusste ich aus Erfahrung, wie unerwartet und schnell die Tragödie zuschlagen konnte. Fernando und ich mussten unsere Blutlinie sichern. Wir mussten unseren Zugriff auf den Thron verstärken, und zwar mit mehr als nur Reformen.
    Wir mussten einen Sohn bekommen.
    Doch ich konnte einfach nicht nachgeben. Mir war, als hauste ich außerhalb meiner selbst. Ich sah und fürchtete mein Verhalten, sehr wohl wissend, dass nichts gewonnen war, wenn ich mich ihm verweigerte. Dennoch war ich zu nichts anderem fähig. Die Tatsache, dass er mich nicht bedrängte, dass er nicht tobte, sondern sich lediglich abwandte, um seinen Wein auszutrinken und sich in seine Gemächer zurückzuziehen, diente mir als Ausrede, hinter der ich mich versteckte.
    Erst dann, wenn er sich entschuldigt, nahm ich mir vor. Erst dann, wenn er sagt, dass es ihm leidtut, dann vergebe ich ihm. Dabei wusste ich genau, dass er dazu ebenso wenig in der Lage war wie ich, dass wir beide nicht zu denjenigen gehörten, die sich erniedrigten, auch nicht voreinander. Fernando würde erst dann zu mir kommen, wenn ich ihn wissen ließ, dass ich bereit war, ihn zu akzeptieren – so wie er war.
    Es hätte ewig bei diesem Stillstand zwischen uns bleiben können, der uns in Fremde verwandelte, die bis auf dasselbe Dach nichts miteinander teilten, wären nicht Mächte ins Spiel gekommen, die stärker waren als wir.
    Es war im April 1475.
    Wir waren nach Valladolid gereist, wo die mächtige Mendoza-Sippe zu unseren Ehren ein mehrtägiges Fest abhielt, um ihre Unterstützung unseres Anspruchs auf die Regentschaft öffentlich zu bekunden und jeden Missmut, der vielleicht gären mochte, im Keim zu ersticken.
    Obwohl es um unsere Finanzen schlecht bestellt war, leerte ich unsere Schatztruhen, denn ich wusste: Nur wenn wir den Geschmack der Granden an Luxus überboten, konnten Fernando und ich hoffen, sie auf unsere Seite zu locken. Nun, da unsere Reformmaßnahmen langsam in Schwung kamen, waren wir auf jede Unterstützung angewiesen.
    Ich war die ganze Zeit freundlich, doch wachsam, als die Adeligen, angelockt von der Aussicht auf freie Bewirtung, mit großem Prunk Einzug hielten. Zwar hatten die Mendozas die Ehre, als Gastgeber aufzutreten, doch die Gästeliste hatte ich zusammengestellt, und die meisten Granden hatte ich eingeladen, weil sie uns noch keinen Treueschwur geleistet hatten. Als sie vor unserem Podest aufmarschierten, verbarg ich meine Bestürzung. Der Reichtum, den sie offen zur Schau stellten, war schwindelerregend: Roben mit goldenem Futter; Ehefrauen und Töchter geschmückt mit Edelsteinen, die genügt hätten, ganze Armeen zu finanzieren. Nicht jeder im Reich litt Not, so viel stand fest, und es erleichterte mich, dass ich die Ausgaben nicht gescheut hatte. Die ganze Feier war eine beschämende Parade nutzloser Prachtentfaltung, aber auch eine, bei der wir, die neuen Herrscher Kastiliens, nicht übertrumpft werden durften.
    Am Tag eines Reiterturniers legte ich ein mit Smaragden und Gold durchwirktes Brokatgewand an, für das ich eine meiner Halsketten geopfert hatte. Seine langen, weiten Ärmel hatten ein purpurnes Futter und waren mit Hermelin eingefasst, die Bündchen mit Rubinen gebändert. Und mein Haar bedeckte ich mit einer perlenbesetzten Haube. Fernando hatte sich gleichermaßen von den anderen Fürsten inspirieren lassen und galoppierte in einer prächtigen, in Toledo geschmiedeten Rüstung in die Arena, deren Gold- und Silberintarsien auf dem schimmernden Brustharnisch das Pfeilbündel und das Joch unseres Emblems darstellten. Das Herz sprengte mir schier die Brust, als er sich vor dem Podest auf seinem Schlachtross verbeugte und der Tradition gemäß auf ein Zeichen

Weitere Kostenlose Bücher