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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Armee neu aufstellen und – als ob das nicht genügte – unsere Toten, die in die Tausende gingen, zur Ruhe betten. Es galt, Beisetzungen zu arrangieren, Verwandte in Kenntnis zu setzen, Witwenrenten zu zahlen. Schnell wurde Córdoba zu einem Ort der Trauer. Als Fernando vorschlug, ich solle nach Kastilien zurückkehren und mich bei den Cortes für die Bewilligung von mehr Geldmitteln einsetzen, während er hierblieb, um die Grenze zu sichern, stimmte ich sofort zu. Nichts wollte ich mehr, als wieder nach Hause zurückzukehren.
    In Segovia waren meine Kinder mit ihrem Unterricht beschäftigt. Isabél war heiter wie stets. Juan war immer noch zu dünn und blass und nach wie vor anfällig für Fieber. Juana war ein vor Lebenskraft strotzendes Kind mit einer auffallend üppigen roten Lockenpracht und einem »dazu passenden Temperament«, wie Beatriz sie oft aufzog. Meine Freundin war von einem gesunden Jungen entbunden worden, den sie und ihr Mann vergötterten. Nach seinem Vater hatten sie ihn Andrés getauft. Aber da Beatriz sich jetzt vor allem auf ihr eigenes Kind konzentrierte, hatte sie Juanas Launen in letzter Zeit zu sehr nachgegeben. Meine zweite Tochter zeigte früh ihre Begabung für Sprachen und Musik, verhielt sich aber für eine Dreijährige viel zu rebellisch, was die täglichen Hausaufgaben betraf.
    Eines Tages ermahnte ich sie, weil sie die unschickliche Gewohnheit hatte, ihre Pantoffeln von sich zu werfen und barfuß durch die Teiche im Garten zu waten. »Das ist kein Benehmen für eine Infantin«, erklärte ich, woraufhin sie mir frech entgegnete, ihr Füße würden in der Hitze immer anschwellen. »Das spielt keine Rolle«, hielt ich ihr vor, »die Schicklichkeit muss zu allen Zeiten gewahrt werden.«
    Juana zog eine Schnute und änderte ihr Verhalten nicht im Geringsten. So beschloss ich, sie auf eine längst überfällige Reise zu meiner Mutter in Arévalo mitzunehmen. Ich sagte mir, dass die gemeinsam mit mir verbrachte Zeit fern der Ablenkungen durch den Hof sie ein Mindestmaß an Anstand lehren würde. Zu meinem Leidwesen erwies sie sich während der zwei Tage, die wir unterwegs waren, als bockig und unbelehrbar, sprang immer wieder von ihren Kissen in der Sänfte hoch, um auf die an uns vorbeiziehende Landschaft der Meseta hinauszuschauen, und zeigte aufgeregt plappernd auf alles, was sie sah – von den auf ihre Beute herabschießenden Adlern, die in der Ebene jagten, bis hin zu den verfallenen Wachtürmen, die sich auf den kargen Bergkämmen wie Pockennarben ausgebreitet hatten. Ich beobachtete sie voller Staunen und musste unwillkürlich an Geschichten über untergeschobene Kinder denken. Natürlich waren solche Legenden ausgemachter Unsinn; doch auch wenn Juana hinsichtlich Teint, Haarfarbe und Wesensart nach Fernando ging, gab es dennoch Momente, in welchen sie meinem Blick mit ihren durchdringenden Augen begegnete und mir plötzlich um Jahre älter vorkam, als sie es tatsächlich war, und dann befiel mich immer das Gefühl, in ihr stecke ein ganz anderer Mensch.
    Als wir Arévalo erreichten, wurde sie ruhiger. Die Isolation der Burg unter dem bleiernen Himmel schien sich auf ihre Stimmung auszuwirken. Mit großen Augen, doch schweigsam, starrte sie die alten Dienerinnen an, die wie Gespenster durch die Säle huschten und sie mit der steifen Befangenheit all derjenigen behandelten, die seit Jahren kein Kind mehr gesehen hatten. Ich versuchte, ihr damit Mut zuzusprechen, dass es nichts zu fürchten gebe und dass diese Burg mein Zuhause gewesen war, doch ihre Miene hellte sich erst auf, als die Hunde der Burg, Abkömmlinge des geliebten Alarcón meines Bruders, zu ihr kamen und sie beschnüffelten. So wie Alfonso damals konnte sie gut mit Tieren umgehen.
    Ungewohnt zurückhaltend zeigte sie sich beim Anblick meiner Mutter, die versunken im verblassten Glanz ihrer Gemächer ruhte, die sie mittlerweile nicht mehr verließ. Gewandet in modisch längst veraltete Kleider, die sie während ihrer kurzen Amtszeit als Königin getragen hatte, und in einem Maße abgemagert, dass ihre Handgelenke wie blanke Knochen unter den ausgefransten Ärmeln hervorstanden, starrte meine Mutter Juana einen schier endlosen Moment lang an, bis sie schließlich einen Finger krümmte und sie zu sich befahl. Doch Juana rührte sich nicht vom Fleck. Ich spürte, wie sie sich an meinen Röcken festklammerte. Und sie weigerte sich auch dann noch, als ich sie mit einem eindringlichen Murmeln beschwor, vor ihre

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