Der Schwur der Königin
gefüllt, war zum Schneiden dick. Höflinge torkelten umher, Pärchen verkrochen sich in dunkle Nischen. Noch nie hatte ich derart unzüchtiges Verhalten gesehen: Absichtlich zogen Frauen ihre Mieder nach unten, um ihre Brüste zu entblößen, und die Männer berührten sie ohne jedes Schamgefühl. Als wir die Tür erreichten, spähte ich zur Arkade hinüber, und dort stach mir sofort Alfonso ins Auge. Er lümmelte sich auf ein paar Kissen. Neben ihm kauerte Girón und flößte ihm aus einem Kelch Wein ein. Zu seinen Füßen kniete eine Frau mit vollständig aufgeschnürtem Mieder, sodass jeder ihre Brustwarzen sehen konnte. Ihre Hand glitt soeben an Alfonsos Bein hoch.
Ich stieß einen Entsetzensschrei aus. Beatriz packte mich am Arm, sonst wäre ich schnurstracks auf die drei zugestürmt. Als sie mich in den Korridor bugsierte, sah ich zu meiner Erleichterung, dass Don Chacón mit Sturm und Hagel verheißender Miene auf meinen Bruder zustapfte.
Cabrera wartete mit vier furchterregenden maurischen Wächtern und einem Fackelträger auf uns. »Der Alkazar ist in der Nacht leider nicht sicher«, erklärte er angesichts meines verwirrten Gesichtsausdrucks.
»Nicht sicher? Aber ich bin die Schwester des Königs! Wie kann mir da in seinem Palast Gefahr drohen?«
Cabrera musterte mich traurig. »So leid es mir tut, viele erkennen weder seine Macht noch das Gesetz an. Ich würde es mir nie verzeihen, sollte Eurer Hoheit ein Leid geschehen.«
Ich blickte Beatriz an. Ihre düstere Miene warnte mich davor, meine Beschwerde weiter zu verfolgen. So schlug ich meine Kapuze hoch, und wir folgten Cabrera in die Gänge des Alkazar, wo an allen Ecken betrunkene Höflinge lagen, jeder mit einer Karaffe neben sich. Der scharfe Geruch von Wein verpestete die Luft. In einem Gang scharten sich einige Mitglieder der Leibgarden von Granden – zu erkennen an den Abzeichen an ihren Ärmeln – um den Schein von Kerzen, die mit Wachs am Boden befestigt waren. Sie starrten uns lüstern an. Einer fasste sich zwischen die Beine und rief: »Kommt her, hermosas ; spielt einmal damit!« Brüllend vor Lachen taten es ihm die anderen mit anzüglichen Angeboten gleich.
Als die Wachmänner näher rückten, beschleunigten wir unsere Schritte. Überall hörte ich Stöhnen und Grunzen, sah ich knurrende Jagdhunde umherstreifen, während Pärchen es in den Alkoven miteinander trieben wie brünstige Tiere.
Endlich erreichten wir menschenleere Arkaden und traten ins Freie, über uns nur noch der weite, mit Sternen übersäte Himmel. Dann sperrte Cabrera eine massive Holztür auf, die in eine hohe Steinmauer eingelassen war. Dahinter empfingen uns plötzliche Stille und nach Blüten duftende Luft, die von dem angrenzenden Garten herüberwehte, demselben Garten, auf den unsere neuen Räume hinausführten.
Hier waren wir noch nie gewesen. Unter anderen Umständen hätte ich mich an der Blütenpracht des Vorfrühlings ergötzt, an den grazilen Brunnen und gefliesten Wegen, die mich an das Santa-Ana-Kloster erinnerten. Leider konnte ich all das nicht wirklich würdigen – zu sehr bedrängte mich eine Ahnung drohender Gefahr. Doch erst nachdem Cabrera uns zu unseren Gemächern geführt, die Kerzen angezündet und Wachposten vor der Tür aufgestellt hatte, machte ich meinen Gefühlen Luft.
»Wir können hier unmöglich auch nur einen Tag länger bleiben! Gleich morgen spreche ich mit Enrique. Sogar er muss begreifen, dass das hier unter diesen Umständen kein Aufenthaltsort für Alfonso und mich ist.«
»Sagt, was Ihr wollt, aber ich fürchte, er wird nichts unternehmen.« Beatriz sah mir fest in die Augen. »Er hat den Saal verlassen, sobald Ihr und der Prinz die Tanzfläche betreten hattet. Er hatte … seinen Freund dabei.«
Ich stand regungslos da.
»Was ich Euch schon vorhin sagen wollte …« Beatriz senkte die Stimme, als lauschten hinter den Holzpaneelen unsichtbare Ohren. In Arévalo hatte es das nie gegeben, dass wir uns gezwungen sahen, unsere Worte geheim zu halten. »Ich habe ein Gespräch zwischen zwei Höflingen aufgeschnappt. Ihnen zufolge hasst die Königin Alfonso und Euch, weil Ihr eine Bedrohung für ihre Tochter darstellt. Sie sagen, dass sie Euch beide als Gefangene hier behalten und ihr Möglichstes tun wird, um Euch von der Thronfolge abzuschneiden. Und wenn sie Euch so sehr fürchtet, dass sie zum Äußersten gehen würde, dann ist an den Gerüchten vielleicht doch etwas dran. Vielleicht stammt dieses Kind, das sie
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