Der Schwur der Königin
bekommen hat, tatsächlich nicht von …« Ihre Stimme erstarb, und sie brütete in argwöhnischem Schweigen vor sich hin; auf dem Weg nach Ávila hatte ich sie wegen genau dieser Gedanken getadelt, doch jetzt hingen ihre Andeutungen und deren so böswillige wie bestechende Logik zwischen uns in der Luft.
Ich schloss die Augen. Das Brüllen der eingesperrten Raubtiere drang zu mir herüber, und ich stellte mir vor, wie sich Genusssucht und die unter deren Oberfläche gärende Verderbtheit im Alkazar ausbreiteten. Erneut sah ich diesen bemalten Jüngling Enrique liebkosen und hatte wieder dieses grässliche Bild von Girón und Alfonso vor Augen. Und als mir dann auch noch Beltrán de la Cuevas Lächeln und das eifersüchtige Funkeln der Königin einfielen, glaubte ich, schier zu ersticken.
Was, wenn die Königin die Dirne spielte, um sich selbst zu retten? Was, wenn diese neugeborene Prinzessin wirklich der Bastard von Königin Juana und Beltrán de la Cueva war? In diesem Fall würde die Katastrophe tatsächlich eintreten, so wie meine Mutter es vorausgesagt hatte. Wenn Enrique einen Bastard zu seinem Erben machte, wäre das eine Sünde gegen das göttliche Recht der Herrschaft. Er würde das Reich spalten, die Granden verärgern und Chaos auslösen. Er würde Gottes Zorn über Kastilien – über uns alle – heraufbeschwören.
Am Hof muss man lernen zu täuschen, wenn man überleben will.
»Was sollen wir tun?«, flüsterte Beatriz, und ich öffnete die Augen. Blass vor Sorgen, stand sie mit ineinander verkrampften Händen vor mir. Ich musste stark sein, für sie und Alfonso. Ich musste für unsere Sicherheit sorgen.
»Was immer nötig ist.«
7
Ich verbrachte eine unruhige Nacht, verfolgt von einem Traum, in dem ich einen endlos langen, dunklen Korridor hinunterlief. Vor mir lockte ein Torbogen, durch den gleißendes Winterlicht flutete, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte ihn nicht erreichen.
Keuchend und in meine Decke eingewickelt, schreckte ich hoch. An meiner Seite lag Beatriz. Wir waren beide so durcheinander, dass wir uns sogar im Schlaf aneinanderschmiegen mussten. Als ich ihr von dem Traum erzählte, erklärte sie, er drücke eine Vorahnung aus, dass meine Zukunft sowohl ein Versprechen als auch eine Gefahr berge. Für eine ansonsten überaus praktische Persönlichkeit hatte Beatriz eine abergläubische Seite – das Erbe ihrer von conversos abstammenden Familie, wie sie behauptete. Ich tat ihr Gerede von irgendwelchen Vorzeichen mit einem Schulterzucken ab. Wer Juden als Vorfahren hatte, und mochte er sich inzwischen auch wie Beatriz zum Christentum bekennen, hatte vielleicht eine Schwäche für solchen Mummenschanz – ich nicht . Ich hatte meinen Glauben an Gott. Ihm allein musste ich als meinem Führer vertrauen.
Als wir zur Tür hinausspähten, waren die Wächter verschwunden, und die kühle Maisonne tauchte den Garten dahinter in ein weiches Licht. Cabrera brachte uns Frühstück – warmes Brot, frisches Obst und Käse. Eine Magd goss uns ein heißes Bad auf. Überwacht wurde sie dabei von einer eleganten älteren Frau, die sich uns als Doña Cabrera, Andrés’ Mutter, vorstellte. Dankbar schwelgten Beatriz und ich in dem nach Rosmarin duftenden Wasser und spritzten und alberten herum wie die Mädchen, die wir ja auch waren.
Doch kaum hatten wir unsere Roben angelegt und waren unter die vergoldete Kassettendecke des sala de los reyes , des Thronsaals des Alkazar, getreten, kehrten auch schon meine Sorgen zurück. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was der heutige Tag bringen würde, und war überaus froh, Fernando zu sehen. Seine bloße Gegenwart und sein schnelles Lächeln beruhigten mich unendlich, als ich auf dem Weg zum Podest an ihm vorbeischritt. Von allen Personen am Hof wirkte er als Einziger normal und frei von irgendwelchen geheimen Absichten oder Machenschaften.
Alfonso, der vor uns eingetroffen war, wartete zusammen mit der Familie des Königs auf dem Podest. Er wirkte müde und blass, zweifellos eine Folge des vielen Weins gestern Nacht. Sein blau und golden besticktes Wams und die kecke gefiederte Kappe standen in deutlichem Kontrast zu seinem kalkweißen Gesicht. Dicht neben ihm hatte sich Erzbischof Carrillo aufgebaut, der mich mit seinem üblichen Lächeln bedachte. Ich dagegen musterte ihn mit gesteigertem Misstrauen, denn jetzt wusste ich von dem Verdacht, dass er womöglich Ränke geschmiedet hatte, um meine Mutter daran zu hindern, uns an den Hof
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