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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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mich an der Hand, und bei dem sanften Druck seiner Finger konnte ich nicht anders als aufstehen. Ich spürte meine Beine nicht, bekam von meiner Umgebung kaum etwas mit. Das änderte sich erst, als wir die Tanzfläche erreichten. Ich stellte mich für den Tanz auf. Um uns herum warfen sich Höflinge in Pose. Die Musik schwoll an. Während wir uns der komplizierten Schrittfolge des kastilischen Seguidilla hingaben, hielt ich die Augen unablässig auf Fernando gerichtet, als wäre er in diesem Moment das Einzige auf der Welt, das mir Halt bieten konnte.
    Ich weiß nicht, wie ich die komplizierten Bewegungsabläufe meisterte – Ferse an Zeh, drehen, den Kopf neigen, wieder Ferse an Zeh –, aber irgendwie wand ich mich durch all die wirbelnden Füße, bis ich zusammen mit den anderen Damen einen Knicks machte und Fernando mir gegenüberstand, die Brust geschwellt, kleiner als ich und der bei Weitem jüngste unter den Männern, doch einen Stolz ausstrahlend, der ihn Jahre älter wirken ließ.
    »Für jemanden, der fern vom Hof aufgewachsen ist, tanzt Ihr gut«, keuchte er. »Alle schauen zu.«
    »Sie … sie schauen mir zu?«
    »O ja. Und am aufmerksamsten von allen ist Beltrán de la Cueva.«
    Ich blickte mich um und bemerkte einen blendend aussehenden Mann in scharlachrotem Samt, der mich anstarrte. Beltrán de la Cueva stand mit schweißglänzender Stirn neben der Königin, mit der er soeben getanzt hatte. Sein dichtes blondes Haar wallte ihm wie in der Sonne glänzendes Kupfer über die breiten Schultern; er hatte eine edel geschnittene Nase, volle Lippen und hohe Wangenknochen, die durch einen rotgoldenen Bart betont wurden – etwas selten Gesehenes am größtenteils aus glatt rasierten Männern bestehenden Hof. Er war fast zu schön, dieser königliche Günstling, dessen Recht, auf dem Podest zu speisen, ich unwissentlich an mich gerissen hatte. Obwohl sie den Tanz beendet hatten, hielt er immer noch die Hand der Königin umfasst; sein Lächeln war zwanglos, verführerisch; sein durchdringender smaragdgrüner Blick so intim, dass ich nicht wagte wegzuschauen.
    Nun bemerkte mich auch Königin Juana. Mit blitzenden Augen umfasste sie Beltráns Kinn und drehte sein Gesicht zu sich herum. Dazu murmelte sie etwas; er antwortete mit einem lauten Lachen – keck und voller Selbstvertrauen.
    »Es heißt, dass sie in ihn vernarrt ist«, raunte Fernando, woraufhin ich mich wieder ihm zuwandte. »Es wird gemunkelt, dass er ihr das gibt, wozu der König nicht in der Lage ist. Darum wird ihr Kind auch la Beltraneja genannt, Beltráns Tochter.«
    Eine ähnliche Schmähung hatte ich schon von meiner Mutter und von Beatriz gehört; und inzwischen hatte ich genug mit eigenen Augen gesehen, um zu vermuten, dass tatsächlich alles möglich war. Trotzdem gab ich zu verstehen, dass ich nicht bereit war, eine solche Verleumdung der Gattin meines Halbbruders zu billigen.
    »Ihr vergesst, über wen Ihr sprecht. Die Leute mögen reden, was sie wollen, sie ist immer noch unsere Königin.«
    »Und Ihr«, erwiderte er, »dürft Eure Gefühle nicht so offen zeigen. Euer Gesicht verrät Euch. Am Hof muss man lernen zu täuschen, wenn man überleben will.«
    Seine unverblümten Worte legten mein Innerstes bloß. Ich wich zurück. »Danke für Euren Rat und den Tanz. Aber ich fürchte, es ist spät. Ich muss mich zurückziehen.«
    Er wurde blass. »Ich wollte nichts Verletzendes …«
    »Das habt Ihr nicht«, unterbrach ich ihn. »Gute Nacht, Cousin.« Ich hielt ihm die Hand entgegen. Er beugte sich darüber und streifte sie mit warmen Lippen. Dann hob er die Augen zu mir. Darin erkannte ich eine stumme Bitte. Bevor er etwas sagen konnte, wandte ich mich zum Podest um. Es war leer. Der Tisch mit dem Durcheinander aus Essensresten und Servietten wurde bereits von Pagen abgeräumt. Während ich den Blick suchend über meine Umgebung schweifen ließ, drängelte sich Beatriz mit meinem Umhang in der Hand durch die Menge zu mir vor. Noch einmal warf ich Fernando einen Blick zu. Er betrachtete mich noch immer mit einem gequälten Ausdruck in den Augen.
    »Hast du Don Chacón gefunden?«, fragte ich Beatriz, als sie mir den Umhang um die Schultern legte.
    »Nein, aber ich habe Andrés de Cabrera gefragt, und der weiß, wo er ist. Der Marquis von Villena hatte Chacón befohlen zurückzubleiben und auszupacken. Aber jetzt kommt er gleich und holt Alfonso ab.«
    »Wenn er ihn denn findet«, entgegnete ich. Die Luft, von Gelächter und Rauchschwaden

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