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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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bekleidet war. Gemeinsam verließen sie den Saal durch eine Seitentür und sorgten so dafür, dass sich die Versammlung rasch auflöste.
    Fernando stand allein da, die Augen auf mich gerichtet.
    Ich wandte mich an Alfonso. »Komm, Bruder. Wir können etwas frische Luft vor der Vesper gut vertragen.«
    Alfonso machte Anstalten, zu mir zu kommen, als Carrillo ihn zurückhielt. »So leid es mir tut, aber solcher Zeitvertreib muss warten. Seine Hoheit hat wichtige Pflichten zu erfüllen. Ist es nicht so, mein Prinz?«
    Alfonso seufzte. »Ja, wahrscheinlich. Geh nur voraus, Isabella. Vielleicht sehen wir uns später.«
    Ich nickte. »Natürlich.« Auch wenn ich die besitzergreifende Art des Erzbischofs nicht mochte, blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Carrillo in Alfonsos bestem Interesse handelte.
    Doch als ich meinem Bruder die Wange küsste, murmelte ich: »Mach niemandem Versprechungen.«
    Mein Bruder setzte sich in Bewegung. Ich wich elegant zurück und strahlte Carrillo an, der mein Lächeln nicht minder freundlich erwiderte. Dann wandte auch ich mich zum Gehen. An den Stufen zum Podest nahm mich mein jüngerer Cousin aus Aragón in Empfang. Er reichte mir den Arm. »Lasst uns gemeinsam spazieren gehen, Isabella.«
    Wir schlenderten in den Garten hinaus. Beatriz und Andrés de Cabrera folgten uns in diskretem Abstand.
    Der Tag war noch kühl, aber ein Versprechen auf den Sommer hing bereits in der sich erwärmenden Brise und in den sich langsam öffnenden Rosenknospen.
    Fernando ging gemessenen Schritts an meiner Seite. Ich wollte nicht die Erste sein, die unser kameradschaftliches Schweigen brach. Ich war einfach glücklich darüber, diese Atempause genießen zu dürfen, an der frischen Luft zu sein und frei zu atmen. Doch als wir uns einem Brunnen näherten und Beatriz und Cabrera sich entfernten, damit wir allein sein konnten, räusperte sich Fernando unvermittelt.
    »Ich möchte mich für gestern Abend entschuldigen. Ich wollte Euch nicht verletzen.«
    Ich musterte ihn unverwandt. Ich spürte, dass er es trotz seiner Jugend nicht gewohnt war, irgendjemanden um Verzeihung zu bitten, schon gar nicht ein Mädchen. Als einziger Erbe Juans von Aragón musste Fernando ziemlich verwöhnt sein, auch wenn ich nicht glaubte, dass er allzu viel materiellen Luxus genossen haben konnte. Sein Wams aus Barchent und die Lederstiefel wirkten sauber, allerdings recht abgetragen, und seine Strumpfhose war über dem Knie ausgebessert worden, zwar auf höchst fachmännische Weise, aber dennoch erkennbar. Ich fragte mich, ob seine Mutter, die kastilische Königin von Aragón, das getan hatte. Solche Arbeiten erforderten eine geschickte Hand, und nur Frauen von königlichem Geblüt oder Nonnen hatten die Zeit, sich in dieser Kunst zu vervollkommnen.
    »Ich habe Euch doch schon gesagt, dass eine Entschuldigung nicht nötig ist. Ich war nicht verletzt.«
    »Aber ich hätte mich nicht auf diese Weise über die Königin äußern dürfen.«
    »In der Tat.« Ich strich meine Röcke glatt und setzte mich auf eine der Steinbänke vor dem Brunnen. Das Sonnenlicht schimmerte auf der Oberfläche des sich kräuselnden Wassers, in seinen trüben Tiefen schossen winzige, bunte Fische hin und her. Ich hob den Blick zu Fernandos Augen. In dem hellen Licht waren sie wunderschön – tiefbraun mit einer Spur von geschmolzenem Honig im Hintergrund, und die leichte Schrägung an den Winkeln verstärkte noch ihren Glanz. Eines Tages würde er mit einem bloßen Blick Herzen zum Schmelzen bringen. Er war schon jetzt unwiderstehlich gut aussehend; dabei war er noch nicht einmal ein Mann.
    Ohne Vorwarnung sagte er: »Ich breche heute nach Aragón auf.«
    Mein Herz setzte vor Enttäuschung einen Schlag aus. »So bald?«
    »Leider ja. Ich habe eine Nachricht von meinem Vater erhalten. Meine Mutter … sie braucht mich.« Seine Lippen bebten. Als ich sah, dass seine Augen feucht wurden, rutschte ich auf der Bank zur Seite, um Platz zu machen. »Setzt Euch doch bitte«, murmelte ich, woraufhin er sich stocksteif neben mir niederließ, als fürchtete er, von seinen Gefühlen überwältigt zu werden.
    Ich wartete, bis er seine Fassung wiedererlangt hatte. Als er erneut sprach, war seine Stimme gedämpft, und nur noch ein schwaches Zittern verriet seine Gefühle. »Sie ist sehr krank. Die Ärzte wissen nicht, was ihr fehlt. Sie wird von Tag zu Tag schwächer. Früher war sie immer vor allen anderen auf den Beinen und die Letzte, die sich

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