Der Schwur der Königin
zahlten.
»Ihr seid wie die Römer«, hauchte ich. »Ihr habt ein Weltreich.«
»Und wie sie stürzen wir uns auch in Schulden!« Er lachte und entblößte damit eine Lücke zwischen seinen oberen Schneidezähnen, die ich unerklärlicherweise reizend fand. »Versteht Ihr, unsere Schatzkammer ist noch nie voll genug für unsere ehrgeizigen Ziele gewesen, und solche weit verstreuten Besitztümer unter seiner Macht zu behalten, das erfordert Geld – viel Geld.«
Er stockte. Sein Ton wurde düster. »Und seit dem Verlust von Konstantinopel an die Ottomanen droht uns große Gefahr durch die Ungläubigen. Nach seiner Eroberung ist ganz Europa angreifbar. Auf diese Weise konnten die Mauren schon vor Jahrhunderten bei uns eindringen. Und die Geschichte könnte sich wiederholen. Die Türken könnten Granada als Einfallspforte benutzen, so wie es die Mauren mit Gibraltar gemacht haben.«
Ich erschauerte bei seiner Vorstellung davon, wie die Ungläubigen in einer dunklen Welle über uns hinwegfluteten. Bisher hatte ich nie einen Gedanken an den verheerenden Fall von Konstantinopel verschwendet, eine der heiligsten Städte des Christentums, obwohl das erst zwei Jahre nach meiner Geburt geschehen war und die christliche Welt bis in ihre Grundfesten erschüttert hatte. Mein Wissen beschränkte sich auf illustrierte Bücher über Kastiliens Geschichte, Gedichte von Troubadouren und romantische Parabeln wie in Juan Ruiz’ Aus dem Buch der guten Liebe . Anders als Fernando hatte ich die Welt nie aus einem Blickwinkel betrachtet, der uns nicht in den Mittelpunkt stellte, sondern als Teil des gesamten Erdkreises sah. Allein schon ihn reden zu hören versetzte mich in Verzückung, als stünde er auf einer Galeone, die sich durch schaumbedeckte Meere gen unbekannte Gestade pflügte …
Fernando seufzte. »Und jetzt, da diese Spinne, Louis XI. von Frankreich, unsere Grenze im Norden bedroht, müssen wir ein einsatzbereites Heer aufstellen. Truppen kosten natürlich Geld, mehr als Ihr Euch vorstellen könnt. Ohne klingende Münze stellt kein Fürst Soldaten auf, und kein Vasall kämpft ohne angemessene Rationen. Niemand bei uns konnte so gut organisieren wie meine Mutter. Sie wusste immer genau, wo man am Hof sparen musste, um dann in der Lage zu sein …« Seine Stimme erstarb, und er schaute weg. »Ich kann gar nicht glauben, dass ich soeben von ihr gesprochen habe, als wäre sie schon tot …«
»Ihr habt es bestimmt nicht so gemeint«, tröstete ich ihn.
Er hob wieder die Augen zu mir. »Mit Euch an meiner Seite ist es nur zu leicht, meinen Schmerz zu vergessen.«
Ich zögerte. Wir hatten die gewölbten Arkaden erreicht, die den gesamten Palast umschlossen. Ohne darauf zu achten, hatten wir die Gartenanlage zweimal umrundet. Als wir sie betreten hatten, war sie mir riesig vorgekommen wie ein Labyrinth. Jetzt, da mir der Kopf von Fernandos Worten schwirrte, empfand ich den Garten als eng, als eine von Menschen geschaffene Ansammlung von gestutzten Hecken, unnatürlich beschnittenen Bäumen und symmetrisch angelegten Wegen, die nirgendwohin führten.
»Ist das nicht Eure Freundin?«, fragte Fernando unvermittelt und deutete auf die Arkaden, wo Beatriz zusammen mit Cabrera auf einer Steinbank saß. Dieser redete, begleitet von lebhaften Gesten, angeregt auf sie ein und wirkte bei Weitem nicht so zurückhaltend, wie ich ihn bisher erlebt hatte. Und Beatriz lauschte mit gebannter Aufmerksamkeit.
Fernando schmunzelte. »Manche würden vielleicht sagen, er sei zu alt für sie, aber sie scheint das nicht zu stören.«
Seine Andeutung brachte mich in Wallung. »Was meint Ihr damit? Don Andrés de Cabrera ist uns gegenüber die Freundlichkeit in Person! Ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendwelche Absichten mit ihr verfo …« Jetzt war ich diejenige, deren Stimme erstarb, als mir bei näherem Hinsehen die eigentümliche Haltung von Beatriz auffiel. Ihr schief gelegter Kopf und die großen Augen verrieten eindeutig den Wunsch zu gefallen, als wäre Cabrera der faszinierendste Mann, dem sie je begegnet war. Und obwohl ich nur wenige Schritte entfernt direkt vor ihr stand, schien sie mich nicht zu bemerken.
Ich unterdrückte ein Kichern. Sie wirkte tatsächlich völlig verzaubert.
»Ich muss Euch noch lehren zu tanzen«, flüsterte Fernando unvermittelt.
Abrupt verflüchtigte sich meine Heiterkeit. »Tanzen? Aber wir haben doch erst gestern Abend getanzt. Danke, aber ich kann das schon ganz gut.«
»O ja, Ihr gebt eine
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