Der Schwur der Königin
Misshelligkeiten gegeben. Weiter fiel mir auf, dass ihr hübscher Tanzpartner von gestern Abend, Beltrán de la Cueva, mit ihren Hofdamen speiste und sich augenfällig um Mencia de Mendoza bemühte. Bei Tageslicht sah er noch imposanter aus mit seinem prächtigen azurblauen, im italienischen Stil geschlitzten Wams und den vielen winzigen Diamanten, die den Kragen und die Manschetten seines Hemdes einfassten. Doch die Königin gebärdete sich, als nähme sie ihn überhaupt nicht wahr, sodass mich bald nur noch Alfonsos ungewöhnliches Schweigen beschäftigte.
Schließlich fragte ich ihn, wie es ihm heute ergangen war.
»Gut.« Er spießte mit seinem Messer ein Stück Wildbret auf.
»Du klingst aber nicht so erfreut.« Ich musterte ihn. »Wo drückt dich der Schuh? Musst du zu viel lernen? Wenn du willst, kann ich Erzbischof Carrillo bitten, mich dir helfen zu lassen …«
Er brauste auf. »Du verstehst überhaupt nichts, Isabella! Du bist eben nur ein dummes Mädchen.«
Enrique blickte zu uns herüber. Ich brachte ein gequältes Lächeln zuwege, was nichts daran änderte, dass mich der unerwartete Ausbruch meines Bruders gekränkt hatte. Bisher war er immer sorgenfrei und ausgeglichen gewesen. Doch plötzlich kam er mir wie ein Fremder vor, und ich musste die Tränen mit aller Macht zurückhalten. Das Letzte, was ich jetzt wollte, war, wie das dumme Mädchen zu weinen, als das er mich beschimpft hatte.
»Also wirklich, Alfonso«, brummte der König, womit er verriet, dass er uns belauscht hatte, »ich bin sicher, dass Isabella nur um dich besorgt ist und …«
Mit einem Knall flog die Tür auf, und der Marquis von Villena, sein riesiger Bruder Girón und sechs ihrer Soldaten platzten herein. Während sie auf uns zumarschierten, durchdrang ein Zischen, ähnlich dem einer Schlange, die jähe Stille. Girón hatte sein Schwert aus der Scheide gezogen.
Alfonso erstarrte vor Schreck. Ich spürte, wie er unter dem Tisch nach meinem Knie tastete. Auch Enrique war auf seinem Thron erstarrt. Als die Granden das Podest erreichten, stieß die Königin einen Angstschrei aus. Jetzt sprang Beltrán de la Cueva von seinem Stuhl auf.
Villena grinste. Girón wirbelte mit dem Schwert zum Günstling der Königin herum. Die Klinge verfehlte ihn nur um Haaresbreite.
»Hurensohn!«, zischte Girón. »Komm einen Zoll näher, und ich zerstückele dich bei lebendigem Leib und verfüttere dich an meine Hunde.«
Cueva war unbewaffnet. Keinem Höfling war es erlaubt, in den Räumen des Königs Waffen zu tragen. Keuchend stand er da. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie hilflos er war. Girón machte eine weitere Drohgebärde. Während Mencia und die anderen Hofdamen aus seiner Reichweite flohen, versetzte Girón Cueva einen Fausthieb mitten ins Gesicht, der den Günstlig der Länge nach über den Tisch sandte, sodass Gläser und Teller klirrend auf dem Boden zerbarsten.
Die Königin heulte auf. Die maurischen Leibwächter lösten sich von der Wand, vor der sie aufgereiht standen, und stürzten mit gezückten Krummschwertern herbei. Enrique klammerte sich an die Armlehnen seines Throns.
»Was … was soll das bedeuten, Marquis?«, stammelte er.
Villena deutete auf den mit Wein und Speisen verdreckten Cueva, auf dessen Gesicht bereits ein riesiger Bluterguss prangte. Weinend half ihm Mencia auf die Beine. Die Höflinge waren zurückgewichen. Einige rannten zur Tür am anderen Ende des Saals, als befürchteten sie einen Brand.
Mit dröhnender Stimme rief Villena: »Ihr wollt diesem eitlen Laffen den Oberbefehl über Santiago, den höchsten militärischen Orden Kastiliens, anvertrauen! Nach allem, was ich für Euch getan habe, wollt Ihr ihm eine Ehre verleihen, die von Rechts wegen mir zusteht!«
»Wie könnt Ihr es wa …«, kreischte Juana, doch Enrique schnitt ihr das Wort ab.
»Ihr vergesst Euch, Marquis. Ich bin hier der König. Ich ehre, wen immer es mir beliebt.«
»Wohl eher, wen es Eurer portugiesischen Hure zu ehren beliebt«, konterte Villena. Eisiger Hass glomm in seinen grünen Augen, während er und Enrique einander anstarrten. Zwischen ihnen lag eine lange Geschichte voller Qualen und Demütigungen – eine Geschichte, von der ich nichts wusste. Aber ich konnte nicht fassen, dass ein Grande, egal wie verletzt er sich fühlte, es wagen konnte, sich derart vor seinem König aufzuführen.
»Sie ist nicht von Euch«, knurrte Villena. »Dieser Säugling, den Ihr zu Eurer Erbin ausgerufen habt, ist nicht Eure Tochter.
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