Der Schwur der Königin
Wahrheit nicht siehst? Villena und Carrillo stehen an der Spitze dieser sogenannten Allianz. Sie haben gemeinsam den Plan ausgeheckt, am Hof für Aufruhr zu sorgen, damit sie Alfonso unbemerkt fortschaffen können. Du musst ihrem Verrat ein Ende bereiten, bevor es zu spät ist!«
Mit gebeugtem Kopf murmelte Enrique, dass es keine Beweise für einen Verrat gebe und ihm deswegen die Hände gebunden seien. Dann warf er mir einen entschuldigenden Blick zu und floh – wie so oft – in sein Asyl, das El-Pardo-Palais in den Wäldern vor den Toren von Madrid, womit er es mir überließ, mit seiner vor Zorn kochenden Königin zurechtzukommen.
»Ich werde nicht dulden, dass meine Tochter, die rechtmäßige Erbin Kastiliens, verleumdet wird«, verkündete Juana, rhythmisch mit dem beringten Zeigefinger in meine Richtung stechend. »Wenn Carrillo es wagt, in Burgos zu dieser Verräterhorde zu stoßen, wird ihn das den Kopf kosten – und auch deinen Bruder. An deiner Stelle würde ich doppelt so inbrünstig für ihn beten, denn ich werde dafür sorgen, dass die ganze Brut mit Stumpf und Stiel ausgerottet wird, bevor sie meinem Kind sein Erbrecht raubt!«
Obwohl diese Frau eine geradezu peinliche Vorstellung bot, erschauerte ich angesichts ihrer Drohungen. Die Arme vor der Brust verschränkt, stolzierte sie in ihren grellen Kleidern umher und schwor mit Worten, so derb wie die einer Tavernenmagd, grässliche Rache. Aber gerade mit ihrem Gezeter und der aufdringlichen Zurschaustellung der Wiege bei jeder Veranstaltung am Hof stellte sie sich als Maulheldin bloß, während das arme Kind in einem fort weinte und hustete, weil ständig Staub und Ruß auf sein Deckchen herabrieselten.
Überall sah ich Höflinge die Köpfe zusammenzustecken und tuscheln; und gewiss bot sich auch Juana dasselbe Bild. Nicht einmal Beltrán de la Cuevas Verlobung mit Mencia de Mendoza hatte den Klatsch zum Verstummen gebracht. Im Gegenteil: Allenthalben hieß es, wenn schon sein neuer Titel als Kommandant von Santiago keine ausreichende Belohnung für seine Dienste im Bett der Königin darstelle, dann doch sicher die Verheiratung mit einem Mitglied der mächtigen Mendoza-Sippe; dabei sei er ein bloßer Emporkömmling, für den außer seinem guten Aussehen nichts spreche, wohingegen Mencia die Tochter eines Granden und von reinem adeligen Geblüt sei.
Juanas Reaktion auf diese schmutzigen Spekulationen bestand darin, dass sie mich zwang, mich ihr nach außen hin zu fügen, als ließen sich spitze Zungen mit meiner Demütigung vor aller Öffentlichkeit zähmen. So gebot sie mir, bei jedem Anlass hinter Joanna zu laufen, um meinen geringeren Stand zu betonen. Außerdem musste ich stundenlang in ihren Gemächern an der Wiege sitzen und über Joannas Kopf mit silbernen Rasseln wedeln, während Ihre Hoheit mit ihren Hofdamen würfelte. Bald erkannte ich, dass Juana in jeder Gesellschaft zwar quälend lange Vorträge über die Rechte ihres Kindes hielt, aber der kleinen Joanna die kalte Schulter zeigte, sobald sie allein waren. In Abwesenheit eines staunenden Publikums sah ich sie das Kind kein einziges Mal in die Arme nehmen. War ihre Mutter in der Nähe, wurde Joanna unweigerlich weinerlich, als spürte sie deren Gleichgültigkeit. Ich hatte Mitleid mit der Kleinen und versuchte, ihr meine Zuneigung zu zeigen, obwohl ich spürte, dass ich mich damit immer tiefer in einer Falle verfing.
Im April 1465 feierte ich meinen vierzehnten Geburtstag in aller Stille. Es war jetzt ein Jahr her, seit ich meinen Bruder zuletzt gesehen hatte. Die Mandelblüten wehten durch die Luft, die Erde sog die glühende Sonne Kastiliens auf, und Joanna bewältigte ihre ersten wackeligen Schritte, die den Aufstieg von der Wiege zum Laufgurt bedeuteten. Und als das Wetter warm genug wurde, stahlen Beatriz und ich uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Garten davon, begierig, der bedrückenden Atmosphäre des Hofs und der sauertöpfischen Miene der Königin zu entkommen.
Joanna stolperte glücklich lachend auf ihren dicken Beinchen herum und versuchte, mit den Fäusten Schmetterlinge zu erhaschen, während ihr Kindermädchen darauf achtete, dass sie sich in ihren Gurten gerade hielt. Wir beobachteten die geschmeidigen Leoparden in ihrem ummauerten Gehege, das ihnen eine perfekte Nachbildung ihres ursprünglichen Lebensraums bot, einschließlich der Keulen von zerstückelten Hirschen unter einer summenden Wolke aus Fleischfliegen. Nachdem Joanna sich bis zur
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