Der Schwur der Königin
die Augen, um besser auf die Feinheiten seiner Melodie achten zu können. Als ich den Rhythmus hörte und spürte, wie sich der Druck seiner Finger verstärkte, hielt ich die Luft an. Diesmal hüpfte ich rechtzeitig hoch und schlug mit den Füßen nach vorn und nach hinten aus. Als wir den Boden berührten, wirbelte ich mit ihm so schnell herum, dass beinahe meine Haube davongeflogen wäre. Und auf einmal verlor ich alle Hemmungen, vergaß, was sich schickte und was nicht. Das Blut toste mir in den Ohren, und ich hörte mein Lachen aus mir herausbrechen, fühlte mich wie ein nach langer Gefangenschaft freigelassener Vogel. Sofort taten wir es noch einmal.
Dann standen wir keuchend da, die Hände ineinander verschlungen, um uns der rauschende Beifall des Brunnens. Das Tosen in meinen Ohren ließ nach, als Fernando mir in die Augen blickte. Über uns trieb eine Wolke vorbei, verhüllte die Sonne. Im Wechselspiel zwischen Schatten und Licht sah ich, wie Fernando wohl in Jahren als Erwachsener aussehen würde, mit markanteren Wangen und breiterer Stirn, jedoch mit demselben lebhaften Funkeln in den Augen und dem ungebrochenen Überschwang. Wie alt er auch werden mochte, sein Lächeln würde sich wohl nie ändern.
»Ihr errötet?« Fernando ließ meine Hand los und berührte mein Gesicht. »Eure Haut ist so hell, weiß wie der Mond …«
Ich regte mich nicht, ließ zu, dass seine Fingerspitzen über meine Haut glitten, genoss die Hitzeschauer, die sie durch meine Adern sandten, bis mein Inneres prickelte.
Das Mittagsläuten der Glocken der Kathedrale schwoll zu einer Kakophonie an und ersparte mir eine Antwort. In meinem Rücken näherte sich das Klappern von Absätzen. Fernando trat beiseite. Ich drehte mich um und sah Beatriz mit geröteten Wangen auf mich zuhasten. Sie wirkte genauso aus der Fassung gebracht, wie ich mich fühlte. Cabrera stand mit verwirrter Miene vor der Bank. Hatten sie uns womöglich gar nicht gesehen, weil sie so sehr ineinander vertieft gewesen waren, bis die Glocken sie riefen?
»Hohe Dame, bitte vergebt mir!« Beatriz sank in einen unbeholfenen Knicks. »Ich hatte ganz die Zeit vergessen! Ist Euer Spaziergang vorbei? Habt Ihr lange gewartet?« Ihre Fragen prasselten im Stakkato auf mich ein, doch ich entdeckte in ihrer Stimme eine Heiterkeit, die darauf hinwies, dass sie zwar abgelenkt worden sein mochte, uns aber sehr wohl gesehen hatte.
»Nein, nein«, versicherte ich ihr, mich insgeheim fragend, ob meine Freude so leicht zu erkennen war wie ihre. »Nicht lange …« Ich redete noch, als sich der Glanzschleier des Tanzes aufzulösen begann wie eine Duftwolke oder ein schöner Traum. Ich wollte ihn festhalten, bevor er mir entglitt, ihn in Perlmutt einschließen wie eine seltene Perle. Einen Moment lang fühlte ich mich leicht wie eine Feder, losgelöst von allen Pflichten, Sorgen oder Zweifeln.
Für einen Moment, der mir schnell entglitt, war ich frei gewesen.
»Ich fürchte, wir müssen jetzt gehen«, flüsterte ich Fernando zu. »Wir werden zum Mittagsgebet erwartet, und danach müssen wir uns fürs Bankett umkleiden. Werde ich Euch später im Thronsaal sehen?«
»Leider nein«, antwortete er. »Meine Diener werden sich schon fragen, wo ich geblieben bin. Wir hätten längst aufbrechen müssen. Die Reise nach Aragón wird mindestens zwei Tage dauern.«
»Oh.« Ich zwang mich trotz aller Enttäuschung zu einem Lächeln. »Aber danke. Es war mir ein Vergnügen, Cousin. Ich hoffe sehr, dass wir uns wiedersehen.«
»Ich nicht minder, meine Infantin.« Mir entging nicht, wie er die Betonung auf »meine« legte, während er sich über meine Hand beugte. Doch dann gab mir Beatriz einen Stoß. Ich funkelte sie wütend an. Fernando dagegen sagte freundlich: »Hohe Dame de Bobadilla, ich bin entzückt.« Darauf knickste sie lächelnd. »Eine Ehre, Eure Hoheit.«
Er schaute mir in die Augen. »Ich werde schreiben.«
Und bevor ich einen Laut von mir geben konnte, schritt er durch die Gartenanlage zurück zu seinen Gemächern und bewies dabei eine Selbstverständlichkeit, als wäre er schon zahllose Male durch dieses Labyrinth von verschlungenen Wegen gelaufen.
Ich sah ihm nach, bis er im Palast verschwand. Es kostete mich einige Anstrengung, ihm nicht nachzurufen, dass er recht behalten und der Tanz mir großen Spaß gemacht hatte.
»Er gefällt Euch«, stellte Beatriz fest.
Ich nickte mit gespielter Lässigkeit. »Für einen Jungen ist er recht unterhaltsam.«
»Er wird nicht mehr
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