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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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küsste mich zärtlich, dann kehrte er zu Carrillo zurück. Steif stand ich in dem von den hohen Fenstern hereinfallenden, zu staubigen Keilen gebündelten Licht und beobachtete, wie der Erzbischof meinem Bruder einen Arm, so mächtig wie ein Eichenbalken, über die Schultern legte und ihn fortführte.
    Ich wollte hinterherrennen, Alfonso dazu zwingen, mir zu schwören, dass er nichts Gefährliches tun würde.
    Doch schon jetzt wusste ich, dass nichts von dem, was ich sagte oder tat, das Kommende abwenden konnte. Alfonso hatte recht: Ich war nur ein dummes Mädchen, ohne jeden Einfluss, ohne jede Macht, um den Verlauf unseres Lebens zu bestimmen.
    In diesem Moment wurde mir klar, dass es lange dauern würde, bis ich meinen Bruder wiedersah.
    Zwei Tage später – Beatriz und ich saßen aneinandergeschmiegt in unserem von Kerzen erleuchteten Gemach und lauschten dem unzufriedenen Knurren der Leoparden im Gehege des Königs – platzte Cabrera mit einer Nachricht herein.
    »Erzbischof Carrillo hat den Hof verlassen. Den Infanten hat er mitgenommen. Er behauptete, Eure Mutter hätte ihm Alfonso persönlich anvertraut. Der König hat sofort die Rückkehr der beiden befohlen, aber niemand weiß, wohin sie verschwunden sind. Carrillo hat viele Stützpunkte und genießt unter seinen Vasallen große Unterstützung. Er könnte überall sein. Ich werde mein Möglichstes für Eure Hoheit tun, aber …«
    »Aber ich muss auch für mich selbst kämpfen«, schloss ich für ihn mit einem gezwungenen Lächeln. Nach dem Weggang von Carrillo und meinem Bruder waren nun dieser liebenswürdige Mann und Beatriz meine einzigen Freunde am Hof.
    Mit einem Griff unter sein Wams förderte Cabrera ein zusammengefaltetes Pergament zutage. Beatriz nahm es entgegen und legte ihren Umhang an. »Wir lassen Euch allein, damit Ihr es in Ruhe lesen könnt«, erklärte sie und folgte Cabrera zur Tür hinaus.
    Einen langen Moment starrte ich das Schreiben an, dann endlich brach ich das Siegel, das das Wappen von Aragón trug. Behutsam entfaltete ich das brüchige Papier.
    Es waren nur sechs Worte:
    Seid tapfer, Isabella. Wartet auf mich .

8
    Während der Frühling einem glühend heißen Sommer wich, verbreitete sich die Nachricht in ganz Kastilien. Händler trugen sie in die abgelegensten Provinzen, wo Hausherrinnen sie an Dienstmänner weitergaben, die sogleich nach Hause hasteten, um sie brühwarm ihren Herrschaften zu erzählen. Kurz, bis zum Herbst wusste so gut wie jeder von Alfonsos abruptem Verschwinden und der Rebellion des Marquis von Villena. So gelangten die Zweifel an Prinzessin Joannas Legitimität an die Öffentlichkeit und lieferten den Menschen nie versiegende Nahrung für Klatsch.
    Weder hörte ich irgendetwas von meinem Bruder oder Carrillo, noch wagte ich, Briefe zu senden. Obwohl ich in dem casa real in meinen eigenen Gemächern wohnte, wo ich über einen vom König bezahlten und von Doña Cabrera beaufsichtigten, kleinen Hofstaat verfügte, wurde ich streng überwacht und in meinen Freiheiten eingeschränkt. Jeder Ausflug, den ich unternehmen wollte, erforderte nicht nur die Zustimmung des Königs, sondern auch eine Leibwache als Eskorte.
    Beatriz hielt mich regelmäßig über das Gerede am Hof auf dem Laufenden; von ihr erfuhr ich, dass Villena und mehrere andere Granden in der Stadt Burgos eine Allianz zur Verteidigung der Rechte meines Bruders ausgerufen hatten. Damit zog über Kastilien, schwarzen Gewitterwolken gleich, die nur noch auf das erste Donnergrollen warteten, die Gefahr eines Bürgerkriegs herauf, und nicht ein Tag verging, an dem Juana nicht Enrique bedrängte, eine Armee gegen die Aufständischen zu entsenden.
    Eines Morgens vergaß sie sich in meiner Gegenwart. Verloren saß ich in einer Ecke ihres Gemachs und versuchte, mich so klein wie möglich zu machen.
    »Hinter all dem steckt Carrillo!«, schleuderte sie meinem peinlich berührten Halbbruder entgegen. »Jetzt hat er sein Rachewerkzeug gefunden und beabsichtigt, es gegen dich zu verwenden. Du hättest nie zulassen dürfen, dass er Alfonso entführt. Du hättest ihn rechtzeitig in seine Schranken weisen müssen, solange du noch konntest.«
    »Juana, bitte.« Seinen roten Wollturban mit den Händen knetend, stand Enrique ihr gegenüber. »Alfonso ist doch nur ein Kind. Wie kann er da eine Drohung dar …«
    »Dieses Kind, als das du ihn bezeichnest, könnte das ganze Reich gegen uns aufhetzen! Gott im Himmel, bist du tatsächlich so blind, dass du die

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