Der Schwur der Königin
sie eine Wahl hätte!« Er fuhr zu mir herum. »Der König möchte diese schwierige Situation beenden. Darum sieht er zwei Ehen vor – eine zwischen seiner Tochter, Prinzessin Joanna, und dem Infanten Alfonso, die am vierzehnten Geburtstag der Prinzessin besiegelt werden soll – und die andere zwischen Euch und meinem Bruder, Pedro de Girón. Diese Verbindungen werden das Land einen und …«
Ein Tosen in meinem Kopf übertönte seine Stimme. Ich hatte Pedro de Girón noch so vor Augen, wie er sich bei unserer letzten Begegnung präsentiert hatte: ein lüstern feixender Riese, der sein Schwert wie ein Spielzeug in Richtung Beltrán de la Cueva schwang.
Enrique wandte die Augen von mir ab, als ich stockend sagte: »Ich … werde meine Zustimmung nicht erteilen.«
Villena stieß ein grobes Lachen aus. »Ihr täuscht Euch, wenn Ihr meint, wir würden sie brauchen.«
Ich hob das Kinn. »Im selben Testament, mit dem mein Vater mir diese Städte zu meinem fünfzehnten Geburtstag hinterließ, hat er auch verfügt, dass die Cortes meine Verheiratung bewilligen müssen. Sind die Cortes bezüglich dieser vorgeschlagenen Verbindung mit Eurem Bruder zurate gezogen worden, hoher Herr?«
Stille breitete sich aus. Torquemada hatte mich in Erwartung einer Allianz mit Portugal auf diesen Umstand aufmerksam gemacht; und jetzt benutzte ich mein Wissen in der verzweifelten Hoffnung, dass ein Mann wie Girón nie die Zustimmung der Cortes erhalten würde, und mochte er auch noch so reich oder mächtig sein.
Enrique starrte mich mit offenem Mund an.
»Mit wem hat sie gesprochen?«, knurrte Villena. Er wirbelte zu Mendoza herum. »Ist das wahr? Brauchen wir wirklich die Zustimmung der Cortes zu ihrer Verheiratung?«
Mendoza blickte mich nachdenklich an. »Ich glaube, sie hat recht. Nach den Statuten von König Juans Testament müssen die Cortes tatsächlich jeden Heiratsvorschlag, der die Infanten betrifft, bewilligen. Selbst Seine Majestät musste darum ersuchen, als er die Verehelichung mit seiner zweiten Königin anstrebte.«
»Das kann nicht sein! Ihr selbst habt mir gesagt, das ließe sich ohne großes Aufheben erledigen!«, zischte Villena. »Wir waren uns einig: Ich bekomme die Kommandantur über Santiago und die Ehe für meinen Bruder, und Ihr erhaltet Alfonso zurück. Bloß deswegen habe ich Carrillo fallen lassen! Und jetzt geifern er und diese Wölfe von Rebellen nach meinem Kopf, nur weil diese dumme Göre sich mir in den Weg stellt!«
»Ich bin eine kastilische Infantin«, fauchte ich. »Habt Ihr wirklich geglaubt, Ihr könntet mich zur Befriedigung Eurer Eitelkeit verschachern?«
»Genug!« Enrique bebte am ganzen Leib. »Ich habe dir gesagt, dass du mir gehorchen musst.«
»Ihr habt mich gebeten, Euch nicht zu zwingen, entgegen Eurem Gewissen zu handeln«, erwiderte ich. »Und das habe ich auch nicht getan. Doch nun fordert Ihr mich dazu auf, mein Gewissen zu missachten und mit den Grundsätzen des Letzten Willens meines Vater zu brechen, damit der Marquis einen Titel erhält, auf den er kein Anrecht hat, einen Titel, der von Rechts wegen meinem Bruder, dem Infanten Alfonso, gehört.«
Enriques Mund zuckte. Er starrte mich an, als wüsste er auf einmal nicht mehr, wer ich war. Schließlich keuchte er: »Wie kannst du es wagen? Du bist hier nicht die Herrscherin. Das halte ich nicht mehr aus! Du und dein Bruder. Carrillo. Die Granden. Ihr alle wollt meinen Tod. Ihr alle wollt meinen Tod, um mein ganzes Eigentum an Euch zu reißen.« Seine Stimme wurde laut, schrill. Er sprang auf. »Ich will Frieden haben! Und wenn das bedeutet, dass du Girón heiratest, dann wirst du das tun!«
Starr vor Entsetzen stand ich da. Seine Augen quollen aus den Höhlen, seine Finger bogen sich wie zu Klauen. Ich öffnete den Mund zum Protest, doch bevor ich ein Wort hervorbrachte, brüllte er: »Hinaus!«
Hinter mir flog die Tür mit einem Knall auf. Schritte stürmten auf mich zu. Ich war zu keiner Regung fähig, war erstarrt angesichts des vor Hass und Angst verzerrten Gesichts des Königs. Alle Tapferkeit, die ich in der Bibliothek gefunden zu haben geglaubt hatte, der Wagemut und die Kraft schienen mich jäh zu verlassen, als ich begriff, dass er die Herrschaft über sich verloren hatte. Er war verzweifelt und zu allem fähig.
Beatriz zupfte mich am Ärmel. »Hoheit, bitte. Wir müssen gehen.«
Speichel rann Enrique über das Kinn. Er hatte sich vor mir aufgebaut und blitzte mich an; ich zwang mich dazu, die Augen nicht
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