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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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sei seiner Seele gnädig«, murmelte ich. Dann stieg ich aus dem Bett, hüllte mich in meine Robe und trat zu ihr. Sie hatte Tränen in den Augen. Sanft ergriff sie meine Hand, hob sie an ihre Lippen und küsste sie inbrünstig, bevor ich sie daran hindern konnte.
    »Cabrera hat recht«, flüsterte sie. »Torquemada hat ihm gesagt, dass Gott über Euch wacht. Er hat mit Isabella von Kastilien Großes vor.«
    Ich zog meine Hand zurück. Plötzlich überlief es mich eiskalt. »Sag das nicht. Ich … ich höre solche Dinge nicht gern. Girón ist an einer Krankheit gestorben. Hier ist kein göttlicher Plan am Werk. Das war nichts als ein völlig normaler Todesfall, wie er jeden Tag vorkommt.« Doch schon während ich sprach, war ich von Erleichterung und tiefer Dankbarkeit erfüllt. Ich hatte gewonnen. Ich hatte sowohl Juana als auch Villena einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    »Könnt Ihr aufrichtig behaupten, Gott hätte nichts damit zu tun gehabt?«, fragte Beatriz.
    Ich runzelte die Stirn. »Natürlich hat Er es gelenkt. Gott lenkt schließlich alles. Aber Er hat nichts Besonderes mit mir vor. Er behandelt alle Seine Kinder gleich. Ich bin nichts als Staub wie alle Sterblichen. Erhebe dieses schreckliche Ereignis nicht zu irgendeinem großen Plan, denn das ist es nicht. Das kann es gar nicht sein. Ich würde nicht wollen, dass ein Mensch, selbst ein so widerwärtiges Scheusal wie Girón, meinetwegen stirbt.« Ich wandte mich von ihrem forschenden Blick ab. »Und jetzt hol mir bitte mein Frühstück. Ich habe Hunger.«
    Sie ließ mich beim Fenster zurück. Ich schaute in den Himmel, doch die Störche waren davongeflogen. Sie nisteten häufig auf Türmen und fühlten sich in Kastilien wohl. An dem Tag, da ich Carrillo getroffen hatte, hatte ich in Santa Ana ein leeres Nest entdeckt, und danach hatte sich mein Leben für immer geändert. Gestern nun hatte ich wieder einen Schwarm gesehen. Und zur gleichen Zeit hatte sich Girón auf sein Sterbelager gelegt. Ich schüttelte den Kopf. Trotzdem – das waren doch nur Vögel, Geschöpfe der Luft, ganz gewiss schön, doch ohne Seele. Sie konnten nicht Botschafter des göttlichen Willens sein. Allein schon diesen Gedanken zu hegen war eine Sünde.
    Und doch begann er, sich in mir festzusetzen.
    Was, wenn Gott trotz allem etwas mit mir vorhatte?
    Der Bürgerkrieg zwischen meinen Brüdern wurde mit rücksichtsloser Verbissenheit fortgesetzt. Giróns Tod hatte nicht nur Villenas Hoffnungen, sondern auch seine Glaubwürdigkeit zerstört. Gescheitert mit seinen Bestrebungen, über mich in den engeren Kreis des Königshauses einzudringen, verachtet von der Rebellenbewegung, mit der er zuvor gemeinsame Sache gemacht hatte, verbarg er sich jetzt am Hof beim König und konnte sich nur noch im Geleit seiner maurischen Garde ins Freie wagen. Und auch Enriques Stern schien zu sinken. Alfonsos Anhänger hatten mehrere Provinzen erobert, sodass dem König nur noch eine Handvoll unbedeutender Städte und sein Segovia blieben.
    Das Land lag in Schutt und Asche, die Ernte war vernichtet und unser Volk am Boden. Der Handel war zum Erliegen gekommen und der Geldwert infolge Enriques verzweifelter Genehmigung immer neuer Münzprägestätten so tief gesunken, dass die Kaufleute sich nur noch mit Waren bezahlen ließen. Beatriz versorgte mich regelmäßig mit neuen Beispielen für das Leiden des Reichs, und Tag für Tag fragte ich mich, wie lange Kastilien noch bestehen würde, bevor sich ein Abgrund auftat und die Erde selbst darin verschwand.
    Im August 1467, vier Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag, wurde Alfonsos Armee wenige Meilen vor Madrid gesehen. Königin Juana geriet in blinde Panik und scheuchte uns zurück in den Alkazar von Segovia. Während sich Enrique, Villena und ihre Männer der rebellischen Streitmacht entgegenstellten, verrammelte die Stadt sämtliche Tore, und die Glocken schwiegen. Unterdessen schritt Juana unablässig durch ihre Gemächer wie einer von Enriques Leoparden in seinem Gehege, während sie bange auf Nachrichten vom Ausgang der Schlacht wartete. Zuletzt war sie Mencia de Mendozas Rat gefolgt, die kleine Joanna in die sichere Festung ihrer Familie, Manzanares el Real, bringen zu lassen, falls die Rebellen Segovia stürmen sollten. Ich war maßlos empört über die Unterstellung, Alfonso könne einem Kind etwas antun, blieb aber regungslos auf meinem Hocker sitzen, die Hände im Schoß gefaltet und die Augen auf die Königin gerichtet. Sie hatte auf

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