Der Schwur der Königin
zu haben. Schon wollte ich den Kopf schütteln, als ich ihn erkannte – er ritt an der Spitze seiner Armee, sein Haar ein unverkennbares goldfarbenes Durcheinander, hinter ihm Carrillo in seinem roten Umhang.
Mit Beatriz rannte ich die Treppe zum Hauptgebäude des Alkazar hinunter, die Röcke bis zu den Knöcheln gerafft, jagte durch die leeren Korridore, die einsamen salas , wo jeder Schritt widerhallte, und hinaus in den Burghof, wo ich keuchend stehen blieb – gerade noch rechtzeitig, um meinen Bruder mit seinen von der Schlacht erschöpften Männern durch das Tor reiten zu sehen.
Der Burghof war gedrängt voll von Bürgern, die hier aus Angst um ihr Leben Zuflucht gesucht hatten, da die Rebellenarmee jetzt in der Stadt war. Als mein Bruder von seinem Pferd stieg und den Blick über die Menge schweifen ließ, sanken sie alle gleichzeitig auf die Knie. Auch ich bekundete auf diese Weise meinen Gehorsam. Dann schritt er auf mich zu. Unwillkürlich hielt ich den Atem an.
Er war jetzt vierzehn Jahre alt – mit breiten Schultern, aber um die Hüften immer noch schmal und ansonsten mit der Größe der Trastámaras gesegnet. Seine Züge waren kantiger geworden, eine Mischung aus den markanten Linien seiner Vorfahren väterlicherseits und der geschmeidigen Anmut des portugiesischen Blutes unserer Mutter. Bekleidet mit einem verbeulten, mit Blut bespritzten Brustpanzer, das Schwert in der Scheide, erinnerte er mich an einen zum Leben erwachten Racheengel, und meine Grußworte zerfielen mir in der Kehle zu Staub.
Mit einem Freudenschrei rannte Beatriz los, um ihn zu umarmen. Langsam drehte er sich um und spähte zu mir herüber, die ich immer noch kniete. »Hermana« , krächzte er mit brechender Stimme. »Bist du das?«
Ich ergriff seine ausgestreckte Hand ließ mich von ihm hochziehen. Aus Respekt vor der Königswürde, die er nun für sich beanspruchte, begann ich, ihm die Hände zu küssen, aber dann schlossen sich seine sehnigen Arme um mich, und plötzlich wurde ich von meinem Bruder umarmt. Ich schluchzte erleichtert.
»Ich bin zurück«, flüsterte er. »Ich werde für deine Sicherheit sorgen. Wir gehen heim, Isabella.«
11
Die Burg von Arévalo wirkte unmöglich klein und düster. Ich hatte ganz vergessen, wie abgeschnitten von der übrigen Welt das Zuhause unserer Kindheit gewesen war. Gleichwohl empfand ich tiefste Erleichterung, als Alfonso und ich darauf zuritten. Begleitet wurden wir von Beatriz, Alfonsos stets treuem Erzieher Chacón und mehreren Bediensteten. Zum Glück hatte mein Bruder darauf bestanden, die große Schar von Beratern zu entlassen, in deren Mitte er die letzten drei Jahre gelebt hatte.
Carrillo war nicht erbaut von der Entscheidung meines Bruders gewesen, nach Arévalo zurückzukehren. Er hatte Alfonso belehrt, dass es seine Pflicht sei, in Segovia zu bleiben und darüber zu wachen, dass die letzten Spuren von Enriques Macht getilgt wurden. Solange sich unser Halbbruder und Villena auf freiem Fuß befanden, warnte Carrillo, sei Alfonsos Sieg unvollständig.
Doch zu meiner Überraschung und meinem großen Stolz lehnte Alfonso ab. »Enrique hat genug gelitten«, erklärte er dem Erzbischof. »Er lebt jetzt in seinem eigenen Reich im Exil und ist auf die Duldung durch die wenigen Vasallen angewiesen, die ihm noch geblieben sind. Ich werde ihn nicht weiter demütigen. Stattdessen soll für die nächsten sechs Monate ein Waffenstillstand verfügt werden. Lasst ihn wissen, dass ich von weiteren Strafmaßnahmen absehen werde, wenn er bereit ist, unsere Bedingungen zu erfüllen. Bis dahin werde ich Isabella zu einem lange überfälligen Besuch bei unserer Mutter begleiten, die sich um uns sorgt.«
Davon ließ er sich nicht abbringen, auch nicht dadurch, dass Carrillo – leicht aufbrausend und im Ratssaal des Alkazar am ganzen Leib schwitzend – ihm eine ganze Litanei von Aufgaben entgegenschleuderte, die er in seinem Bistum vernachlässigt hätte, nur um sich mit Herz und Seele dem Kampf für Alfonso zu widmen.
»Dann dürft Ihr diese Dinge nicht noch länger liegen lassen«, erwiderte mein Bruder. »Kehrt zurück und kümmert Euch um Eure Diözese in Toledo und um alles andere, was im Argen liegt. Nach dem Tag der Heiligen Drei Könige treffen wir uns in Ávila wieder.«
Er ließ Carrillo mit offenem Mund stehen, nahm mich bei der Hand und führte mich aus dem Saal. »Eine gewisse Erholung voneinander können wir gut gebrauchen«, raunte er mir zu. »Der Mann ist ein
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