Der Schwur der Königin
fürchterlicher Tyrann.« Zum ersten Mal seit einer schieren Ewigkeit brach ich in unbändiges Lachen aus.
Nur eines verdarb uns den Aufbruch von Segovia. Als Beatriz herbeigeeilt kam, um mich zu warnen, und ich in den Garten hinausstürzte, um das Schlimmste zu verhindern, war es bereits zu spät. Enriques prächtige Leoparden, die in den Kriegsjahren trotz der Fürsorge durch den treuen Cabrera gelitten hatten, lagen von Pfeilen durchbohrt in ihrem Gehege. Als ich dort völlig atemlos ankam, stand Alfonso mit seinem Bogen in der Hand über die gefleckten, mit Blut bedeckten Kadaver gebeugt. Als er aufsah, schrak ich vor dem leeren Ausdruck in seinen Augen zurück.
Cabrera hielt sich in unmittelbarer Nähe auf. Sein Gesicht war aschfahl angesichts des sinnlosen Todes dieser Tiere. Doch als ich gerade zu Vorhaltungen ansetzte, schüttelte er den Kopf. Ohne dass es eines Wortes bedurfte, begriff ich, dass mein Bruder in diesem einen Racheakt den einzigen ihm möglichen Weg gesehen hatte, seiner Wut und seiner Trauer darüber Ausdruck zu verleihen, dass er seine ganze Kindheit mit dem Kampf um ein Erbe verbracht hatte, das von Rechts wegen ihm zustand. Auch wenn er sich Enrique gegenüber gnädig gezeigt hatte, ließ er ihm über die Leoparden eine Botschaft zukommen, die unser Halbbruder nicht ignorieren konnte.
Ich wandte mich ab. Allerdings dauerte es Wochen, bis ich wieder die Augen schließen konnte, ohne die toten Leoparden zu sehen oder den Schmerz zu spüren, der Alfonso zu dieser Tat getrieben hatte.
Aber jetzt waren wir zu Hause. Arévalo war meiner Mutter zurückgegeben worden, und sie war schon aus dem Kloster in Santa Ana heimgekehrt. Als wir unter dem Torhaus hindurch in den Hof ritten, eilten uns unsere Bediensteten, Tränen in den Augen, entgegen, um uns zu begrüßen. Ihre Gesichter waren allesamt gezeichnet von der Zeit und der Ungewissheit, die sie durchlebt hatten.
Fast hätte ich selbst geweint, als Doña Clara mich fest an sich drückte. »Mi querida niña!« , rief sie. »Wie schön Ihr geworden seid – eine erwachsene Frau und ganz so wie Eure Mutter!«
Gerührt legte sie ihre trockenen, knotigen Hände an meine Wangen. Sie war sichtlich gealtert und wirkte jetzt viel zerbrechlicher als die alles beherrschende aya , die ich aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte.
»Wie geht es ihr?«, fragte ich.
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Doña Elvira ist gestorben, als wir in Santa Ana waren. Die Arme hatte Fieber bekommen. Sie ist ohne Schmerzen verschieden, aber natürlich hat es Eurer Mutter das Herz gebrochen. Sie ist immer noch nicht darüber hinweg, auch wenn sie sich natürlich darauf freut, Euch daheim zu empfangen. Sie wartet im Saal auf Euch.«
»Bringt mich zu ihr«, sagte ich. Ich ließ die anderen zurück – Beatriz in den Armen ihres Vaters Don Bobadilla und Alfonso, der selig grinste, als sein Lieblingshund, Alarcon, an ihm hochsprang und ihm das Gesicht ableckte. Schnurstracks marschierte ich in das Hauptgebäude, wo sich nichts verändert zu haben schien, obwohl zwischendurch Enriques Vasallen dort gehaust hatten.
Als ich meine Mutter vor dem Herd stehen sah, befielen mich lebhafte Erinnerungen an meine Kindheit. Wie oft hatte ich mich ihr voller Bangen vor ihren Anfällen genähert! Ein Rest dieser Angst steckte bis heute in mir und schien mich im Nacken zu kitzeln. Doch im durch die Fenster hereinfallenden safrangelben Septemberlicht sah meine Mutter in ihren festlichen Samtkleidern und mit den matten Juwelen wunderschön aus. Erst als ich sie fast erreicht hatte, bemerkte ich den fiebrigen Glanz ihrer Augen, ein Zeichen dafür, dass sie einen ihrer Beruhigungstränke hatte einnehmen müssen. Und sie war hager geworden – die Schlüsselbeinknochen standen unter dem Hemd hervor, und ihre mit Rubinen besetzten Armbänder klapperten an den zerbrechlichen Handgelenken.
»Hija mia« , seufzte sie mit einem abwesenden Lächeln, als ich sie auf die Wange küsste.Meinen Gruß schien sie gar nicht zu hören; statt auf mich richtete sie den Blick an mir vorbei hinter die Türschwelle, wo Alfonso mit den Dienern, die seine Hunde versorgt hatten, laut lachte.
»Siehst du?« Sie lächelte. »Habe ich dir nicht gesagt, dass Alfonso uns rächen wird? Schau ihn dir nur an! Mein Sohn ist der König von Kastilien. Zu guter Letzt sind wir wieder an unserem Platz eingesetzt worden. Bald können wir auch wieder unseren Rang am Hof einnehmen und diese grässliche Burg für immer
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