Der Schwur der Königin
füreinander …«
Ich verharrte, zu keiner Regung fähig.
Fernando hatte mich nicht vergessen. Das hier war seine Antwort auf meinen besorgten Brief, den ich über ein halbes Jahr zuvor von Madrid abgeschickt hatte, als mir Giróns Ankunft angekündigt worden war. Irgendwie war es Fernando klar gewesen, dass er es nicht riskieren konnte, sie mir auf direktem Wege zu schicken; darum hatte er sie vorsichtshalber an das Kloster meiner Mutter gesandt. Aber das war noch lange nicht das Ende gewesen. Ich verschlang sämtliche Briefe, bis es späte Nacht war, die Kerzen zu Stummeln heruntergebrannt waren und nur noch unregelmäßig flackerten. Alfonsos Jagdhund schlummerte schon längst zu meinen Füßen. Mich verblüffte, wie fürsorglich der Prinz von Aragón aus der Ferne über mich gewacht hatte. Über jedes Ereignis in meinem Leben seit unserer Trennung war er genau informiert, obwohl er selbst Widrigkeiten ausgesetzt war, von denen er mir auch mit ungeschminkter Aufrichtigkeit berichtete, was von innerer Stärke zeugte.
Seine Mutter war am Ende ihrer langen, schrecklichen Krankheit erlegen. Sein Vater und er hatten sich keine Zeit für ihre Trauer nehmen können, denn schon wurden sie von den verräterischen Franzosen in einen neuerlichen Krieg gestürzt. Obwohl er gerade erst vierzehn Jahre alt geworden war, hatte Fernando eine Armee gegen König Louis ins Feld geführt, um die Grenzgebiete Roussillon und Cerdagne zu verteidigen, und hatte es tatsächlich vermocht, seine Männer zu unglaublicher Tapferkeit gegen die Eindringlinge anzuspornen. Doch am Ende waren sie der feindlichen Übermacht unterlegen. Nun, da die Schatzkammer von Aragón geplündert war und ein Volksaufstand drohte, während die Franzosen weiter an dem Königreich nagten wie die gierigen Wölfe, die sie im Grunde waren, musste Fernando seine Grenzen befestigen und vor weiteren feindlichen Einfällen schützen. Und bei all dem stand ihm niemand zur Seite, da sein Vater inzwischen vollkommen blind und hilflos war. So war er durch seine Taten, wenn auch nicht dem Titel nach, König seines vom Krieg zerrissenen Reichs.
Ich las:
Wir haben einen der maurischen Heilungskünste kundigen jüdischen Arzt kommen lassen, von welchem wir wahre Wunderdinge gehört hatten. Es heißt, dass dieser Arzt einmal einen Kalifen von Granada von demselben Gebrechen kuriert habe, an dem mein Vater leidet, ja, dass er in der Lage sei, die Ursache der Linsentrübung mittels einer Operation zu beseitigen. Er zeigt sich auch zuversichtlich, dass Papas Sehfähigkeit verbessert werden kann. Allerdings ist das eine gefährliche Prozedur, die vier verschiedene Eingriffe mit Nadeln erfordert, und ich mache mir große Sorgen. Mein Vater ist bereits jenseits seines sechzigsten Jahres und durch das Dahinscheiden meiner Mutter im Herzen und in der Seele geschwächt. Doch er verlangt, dass es geschieht. Er sagt, dass er am Tag unserer Vermählung kein blinder, alter Mann sein will.
Ich lächelte, denn ich sah ihn förmlich vor mir. Jede einzelne Zeile in jedem dieser Briefe drückte denselben unerschütterlichen Glauben aus, dass er am Ende siegen würde. Und wie um genau das noch einmal zu betonen, verabschiedete er sich am Ende stets mit denselben Worten:
Seid tapfer, Isabella. Wartet auf mich.
Erst als ich den letzten Brief gelesen hatte, merkte ich, dass ich fast die ganze Nacht in seine Worte versunken verbracht hatte. Schon hellte sich um mich herum die Dunkelheit auf, die Kerzen waren alle erloschen, nur eine letzte flackerte noch – ich hatte sie mehrmals aufs Neue angezündet und mir dabei die Fingerkuppen versengt. Während nun die Flamme in einer Lache aus geschmolzenem Wachs endgültig erstarb, blieb ich mit der Schatulle auf den Knien sitzen, schloss die Augen und stellte mir den lachenden, überschwänglichen Jungen vor, der Fernando bei unserer kurzen Begegnung in Segovia gewesen war. Jetzt war er ein Mann, den ich nicht kannte. Wieso konnte ich mich dann fühlen, als wäre er ein Teil meiner selbst? Doch egal wie eindringlich ich mir vorhielt, es sei närrisch und viel zu sentimental, meine Zukunft einem selbstsicheren Versprechen, einem unwiderstehlichen Lächeln und einem spontanen Tanz anzuvertrauen, tat ich in Wahrheit genau das. Er hatte mich etwas über mich selbst gelehrt. Er hatte mir gezeigt, dass ich meinen eigenen Instinkten trauen und mir meinen eigenen Weg bahnen konnte. Und ein inneres Gefühl sagte mir, dass es trotz der Entfernung zwischen uns
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