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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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verlassen.«
    Sie sprach voller Stolz, und als Alfonso zu ihr kam und sie ihn inbrünstig umarmte, erwähnte er das Elend und die Entbehrungen mit keinem Wort. Nach dem Abendessen setzten wir uns vor den Kamin, ich an der Seite meiner Mutter und Beatriz an der ihres Vaters. Während Doña Clara im Hintergrund strickte, unterhielt uns Alfonso mit Geschichten über Heldentaten, die eines El Cid wert waren. In allen Einzelheiten schilderte er uns, wie er sich Enrique allein zum Zweikampf gestellt hatte, und erhob ihre Scharmützel zu einem wahren Epos. Meine Mutter beugte sich weit in ihrem Stuhl vor und klatschte immer wieder in die Hände, um zu zeigen, wie sehr sie die Niederlage des Mannes entzückte, dem sie die Schuld an unserem Leid gab. Mit dem Hereinbrechen der Nacht wurde sie sichtlich müde, sodass Alfonso sie schließlich in ihre Gemächer begleitete. Wie ein Kind klammerte sie sich an seinen Arm und ließ sich führen.
    Mir fiel wieder ein, wie er sich früher möglichst weit entfernt von ihr gehalten hatte. In nachdenklichem Schweigen saß ich da, als Beatriz und Bobadilla uns eine gute Nacht wünschten und mich mit meiner aya allein ließen. Diese brach schließlich das Schweigen und sagte: »Alfonso hat sie glücklich gemacht. Manche Mütter wollen nichts mehr als einen Sohn, auf den sie sich stützen können.«
    »Aber er hat ihr nicht die Wahrheit gesagt«, entgegnete ich. »Er hat ihr verschwiegen, was wirklich geschehen ist oder was vielleicht noch geschehen wird. Noch ist Alfonso nicht der König von Kastilien.«
    »Uns beiden, Euch und mir, ist das klar, aber sie braucht es nicht zu erfahren. Sie wüsste nichts mehr mit der Wahrheit anzufangen.« Doña Clara legte ihr Strickzeug beiseite. »Euch dagegen scheint sie Flügel zu verleihen. Diese innere Stärke, die Ihr schon als Kind bewiesen habt, hat aus Euch einen Menschen gemacht, den sie nicht länger beeinflussen oder beherrschen kann. Seid dankbar, dass Ihr endlich entkommen seid. Bei Eurem Bruder ist sie jetzt besser aufgehoben. Bei ihm findet sie den Trost, den sie nach dieser langen Zeit der Tränen bitter nötig hat.«
    Sie erhob sich mühselig und mit einem Stöhnen, wie man es bei alten Leuten oft hört, und schlurfte zur Anrichte, um dort eines der unteren Fächer aufzusperren und eine mit Leder bezogene Messingschatulle herauszunehmen. Damit kehrte sie zu mir zurück und legte sie mir auf den Schoß. Obwohl die Schachtel so wuchtig wirkte, fühlte sie sich erstaunlich leicht an.
    »Die Juden bewahren in so etwas gern wichtige Dokumente und Geld auf«, erklärte sie. »Ich habe sie in Ávila für Euch gekauft, als diese Briefe an Euch einzutreffen begannen.«
    Meine Hand verharrte auf dem Deckel. »Briefe?«
    »Ja.« Sie sah mir fest in die Augen. »Macht sie ruhig auf und schaut sie Euch an.«
    Beim Anblick der mit einem roten Band verschnürten Briefe schnappte ich unwillkürlich nach Luft. »Das muss ja mindestens ein Dutzend sein!«
    »Vierundzwanzig, um es genau zu sagen. Ich habe sie gezählt. Was immer Ihr ihm geschrieben habt, es muss ihn ungeheuer beeindruckt haben. Der erste kam aus heiterem Himmel, und dann hat es überhaupt nicht mehr aufgehört. Er hat sie über einen Kurier nach Santa Ana geschickt.« Sie schmunzelte. »Es muss ihn ein Vermögen gekostet haben, einen privaten Boten durch halb Kastilien reiten zu lassen. Auf alle Fälle ist er fest entschlossen, dieser Prinz aus Aragón. Ich lasse Euch jetzt damit allein. Zweifellos hat er Euch viel zu sagen.«
    Allein im Saal, erbrach ich das Siegel des ersten Dokuments. Im flackernden Kerzenlicht fiel mir auf, wie ungelenk seine Schrift war.
    Liebste Hoheit!
    Als ich Euren Brief erhielt, musste ich mich mit Macht zurückhalten, um nicht an Eure Seite zu eilen und mein Land und meinen Vater im Kampf gegen die französische Wolfsmeute im Stich zu lassen. Jetzt kann ich nicht mehr schlafen noch essen. Bei allem denke ich immer an Euch in Eurem Kampf gegen die Wölfe am Hofe Eures Bruders, die nur danach trachten, Euren Geist zu brechen. Doch da es mir nicht möglich ist, bei Euch zu sein und mit dem Schwert die Herzen all jener zu durchbohren, die Euch Böses wollen, kann ich Euch wenigstens dies sagen: Aus tiefster Seele bin ich mir sicher, dass Ihr viel tapferer seid, als Ihr wisst. Ihr müsst dieser Ehe, die sie für Euch vorhaben, widerstehen, denn mit Gottes Gnade müssen wir uns wiedersehen, Ihr und ich, und Gewissheit darüber erlangen, ob wir vom selben Schicksal

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