Der Schwur der Königin
König lange über uns herrschen.«
Ich hatte alles gesagt. Mit vorgerecktem Kinn stand ich da, inmitten der dröhnenden Stille.
Mendoza fand als Erster Worte. »Eure Hoheit sind klüger, als Eure Jahre ahnen lassen. Ist es wirklich Euer Wunsch, dass wir dem König diese Botschaft überbringen?«
»Ja«, antwortete ich.
Er nickte und wandte sich sofort zur Tür. Der Sekretär, der meine Worte auf sein Pergament gekritzelt hatte, hastete hinterher. Villena folgte nach einer knappen Verbeugung. Ich war mir sicher, dass Mendoza sein Möglichstes tun würde, um Enrique den wahren Wortlaut meiner Botschaft zu melden, und mir nicht die Worte im Mund verdrehen würde, wie ich das einem ruchlosen Ränkeschmied wie Villena sehr wohl zutraute.
Erzbischof Carrillo starrte mich aus zusammengekniffenen Augen an und stieß dann ein bitteres Lachen aus. »Das war hervorragend. Fast hättet Ihr mich überzeugt. Ein Diplomat hätte es nicht besser gekonnt – Ihr habt uns die Zeit gekauft, die wir benötigen, um unsere Strategie zu planen.«
Würdevoll setzte ich mich auf den Stuhl, den Mendozas Sekretär vor wenigen Augenblicken verlassen hatte, und verfolgte, wie Carrillo aus seinem Tornister einen Stoß Papiere zog und vor mir auf den Tisch legte. »Das sind Briefe aus mehreren Städten, die Euch ihre Unterstützung bei Eurem Anspruch auf die Krone versprechen. Segovia ist natürlich noch unschlüssig, aber es wird sich den anderen sicher anschließen, sobald Ihr Eure Absicht öffentlich verkündet. Die Sache Eures Bruders war gerecht und …«
»Ich habe meine Absicht verkündet«, unterbrach ich ihn, ohne von den Briefen aufzusehen.
»Diesem Narren Villena vielleicht«, schnaubte er. »Aber Ihr werdet doch gewiss nicht unvollendet lassen, wofür Ihr in den letzten vier Jahren gekämpft habt. Alfonsos Tod darf nicht umsonst gewesen sein.«
»Alfonso ist gestorben, weil Gott ihm nicht erlaubt hat zu leben.« Ich erhob mich abrupt und baute mich vor ihm auf. »Er wurde niedergestreckt, weil er nach dem Thron eines gesalbten Königs strebte. Das war Gottes Urteil. Ich, Eure Eminenz, werde nicht das Gleiche auf mich herabbeschwören.«
Er straffte sich. Plötzlich befiel mich die Erinnerung an den Tag, als er mich hier, in diesem Kloster, heimgesucht hatte. Wie übermächtig er auf mich gewirkt hatte! Damals hatte ich Angst vor ihm gehabt, und in gewisser Hinsicht fürchtete ich ihn noch immer. Andererseits hatte ich seitdem gelernt, dass mir nicht geholfen war, wenn ich mir das anmerken ließ. Aus meiner Furcht würde Carrillo Kraft beziehen. Meiner Unterwürfigkeit verdankte er seine ganze Existenz.
»Wollt Ihr mir etwa sagen, Ihr hättet Eure Worte ernst gemeint? Ihr würdet tatsächlich alles wegwerfen, nur um Euch einer Kleinmädchenvorstellung von göttlichem Zorn zu beugen?«
»Nennt es, wie Ihr wollt. Ich werde nicht lügen. Ich werde keine neue Zwietracht säen. Wenn ich dazu bestimmt sein sollte, die Thronfolge anzutreten, dann muss ich das mit reinem Gewissen tun und nicht mit dem Blut von Unschuldigen an meinen Händen.«
»Gewissen!« Er drosch mit der Faust auf den Tisch. »Und was ist mit Enriques Gewissen, hm? Was ist mit den Lügen, die er erzählt hat, den Falschheiten, die er verbreitet hat? Er hat Euch Eure Mutter geraubt, nur um Euch am Hof einzusperren und einen Bastard zur Thronfolgerin zu erheben! Womöglich war er es, der Euren Bruder hat vergiften lassen. Wollt Ihr Euch von dieser Dirne an seiner Seite das stehlen lassen, was nach dem Gesetz Euch zusteht?«
Ich blickte auf seine geballte Faust hinab. Einen lähmenden Augenblick lang befiel mich die Erinnerung an eine Szene aus meiner Kindheit, an einen Mann hinter dem Thron meines Vaters, wie er ihn an der Schulter berührte … Und dann hatte ich Carrillo selbst vor Augen, wie er meinem Bruder an dem Tag, an dem unsere Welt auseinanderbrach, die Hand auf die Schulter legte und ihn von mir wegführte, hin zur Revolte, zum Aufstand, zum Bürgerkrieg, ins Chaos.
In den Tod.
Ich wollte nicht so enden wie mein Vater oder meine Brüder – als Marionette auf dem Thron, als Beute der hinter mir wirkenden Schatten. Doch genau das konnte sehr wohl mein Schicksal sein, wenn ich mir nicht meinen Weg mit äußerster Sorgfalt selbst wählte. Jeder Schritt, den ich unternahm, konnte mich in den Ruhm oder in die Tragödie führen; jede Entscheidung, die ich traf, hatte ihre Konsequenzen. Mein Schicksal lag in meinen eigenen Händen.
»Ihr habt
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