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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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beschwichtigte mich Chacón, der meine Angst spürte. »Fieber auch nicht. Wenn es die Pest ist, dann habe ich sie noch nie in dieser Form gesehen.«
    Ich zwang mich, näher zu treten. Alfonso glich in seiner Erstarrung einer Statue. Wer so still dalag, musste doch tot sein, dachte ich. Die Fingernägel in die Handflächen gebohrt, beugte ich mich über ihn. Hinter mir flüsterte Beatriz besorgt: »Ist er …?«
    Ich nickte. »Er atmet.« Ich berührte seine Hand. Sie fühlte sich eisig an, als hätte er im Freien geschlafen. Verwirrt blickte ich Chacón an. Wenn es nicht die Pest ist, was könnte es dann sein? Was fehlt ihm?«
    »Zeigt es ihr«, befahl Carrillo mit tonloser Stimme.
    Ich verfolgte, wie Chacón den Mund meines Bruders aufstemmte und seine schwarz verfärbte Zunge zum Vorschein brachte. Ich konnte ein Aufkeuchen nicht unterdrücken. Als ich mich Carrillos gnadenlosem, starrem Blick stellte, wusste ich bereits, was er als Nächstes sagen würde.
    »Dahinter steckt Enrique. Euer Bruder ist vergiftet worden.«
    Beatriz, Chacón und ich wachten abwechselnd an Alfonsos Bett. Hilflos sahen wir zu, wie ein Arzt, den Carrillo hatte rufen lassen, Alfonso schröpfte. Sein Blut floss träge. Der Arzt schnupperte mehrmals daran, ehe er murmelte, er könne keine Hinweise auf Gift finden. Die Zunge meines Bruders war zwar noch immer geschwollen, aber nicht mehr schwarz. Doch dieses einzige Anzeichen einer Besserung wurde durch seine zunehmende Steifheit Lügen gestraft. Es sah aus, als verließe ihn sein Leben in langsamen, unerbittlichen Etappen.
    Nach einem ganzen Tag und einer Nacht konnte ich mich auf meinem Stuhl vor Erschöpfung nicht mehr aufrecht halten. Schließlich bestand Beatriz darauf, dass ich zu Chacón, den ich Stunden zuvor hinausgeschickt hatte, in den Saal ging und irgendetwas aß. Ich gehorchte, kam aber nicht weiter als bis zur Galerie, bevor ich sie aufschreien hörte.
    Beatriz stand zitternd am Bett. Als ich sie erreichte, starrte uns Alfonso mit weit aufgerissenen Augen an, deren Blau in der marmornen Blässe seines Gesichts unglaublich lebendig wirkte. Sein Unterkiefer hing herab. Aus der Tiefe seiner Kehle drang ein ersticktes Gurgeln. Mit einem Mal spritzte ihm eine schwarze Flüssigkeit aus Mund und Nase. Sein ganzer Körper zuckte in einem Krampf, sein Gesicht verzerrte sich.
    Dann erschlaffte er.
    »Heilige Jungfrau, nein«, flüsterte Beatriz. »Bitte nicht. Das darf nicht sein.«
    Ich spürte eine merkwürdige Ruhe in mir, fast so, als wäre ich betäubt. Mir war klar, dass mein Bruder tot war; dennoch fühlte ich ihm den Puls. Danach wischte ich ihm schweigend die Gallenflüssigkeit aus dem Gesicht und faltete ihm die Hände über der Brust.
    »Ich liebe dich, Alfonso«, flüsterte ich und küsste ihn zum letzten Mal. Meine Hand zitterte nur leicht, als ich ihm die Augen schloss.
    »Du musst es den anderen sagen«, forderte ich Beatriz auf. »Seine Leiche muss vorbereitet werden.«
    Sie zog sich zurück. Auf den Knien betete ich für Alfonsos unsterbliche Seele, denn er hatte die Letzte Salbung nicht mehr erhalten. Ich hatte erwartet, der Kummer würde mich in einen tiefen Abgrund stürzen, doch ich weinte nicht eine Träne. Mein Bruder hatte nicht einmal sein fünfzehntes Jahr vollenden können – ein wunderschöner Prinz, ausgestattet mit endlosen Versprechungen und doch in der Blüte seiner Jugend aus dem Leben gerissen.
    Ich hatte meinen geliebten Bruder verloren. Meine Mutter hatte ihren einzigen Sohn verloren.
    Kastilien hatte seine Hoffnung verloren.
    Doch als ich vor seinem Totenbett kniete, den Lärm im Saal hörte – die Klagen seiner Bediensteten, Carrillos ungläubigen Aufschrei –, war der einzige Gedanke, der mir in den Sinn schoss, dass jetzt ich zur neuen Erbin Kastiliens geworden war.

Z weiter T eil
    Eine verbotene Verbindung
    1468–1474

13
    » Princesa , Ihr müsst mir antworten. Sie sind schon wieder da. Sie warten.«
    Die Stimme der Äbtissin erreichte mich wie über eine gewaltige Kluft hinweg. Immer noch kniend, drehte ich mich langsam auf der Gebetsbank vor dem Altar der Santa-Ana-Kapelle um. Seit der Bestattung meines Bruders hatte ich mich jeden Tag dorthin begeben, um für inneren Frieden zu beten, den ich nicht mehr fand.
    Die entschlossene Haltung der Äbtissin verriet mir, dass sie sich nicht wegschicken lassen würde. Obwohl Beatriz grässliche Angst vor der Pest hatte und Carrillo darauf drängte, dass ich meine Pflichten erfüllte, hatte ich

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