Der Schwur der Königin
vergessen, mit wem Ihr sprecht«, sagte ich schließlich. »Ich bin jetzt die Erbin von Kastilien und als solche in der Lage, nach eigenem Ermessen zu handeln.«
Ich hatte mich bereits zur Tür gewandt, als ich ihn zwischen zusammengepressten Zähnen hervorstoßen hörte: »Wenn Ihr Euch weigert, unsere Sache zu vertreten, wie könnt Ihr dann von mir erwarten, dass ich Euch schütze? Ob Erbin oder nicht, sie werden Euch holen; sie werden Euch zur Ehe mit dem Portugiesen zwingen und für den Rest Eures Lebens ins Exil schicken. Ihr werdet nie in diesem Land herrschen – nicht, wenn sie ihren Willen durchsetzen.«
Es dauerte einen langen Moment, bis ich mich zu ihm umdrehte. »Wenn Ihr mich beschützen wollt, dann handelt mit Enrique einen Vertrag aus, der mir meine Rechte sichert. Ich will die Vereinbarung in seinem Beisein persönlich unterzeichnen, damit niemand mich des Verrats bezichtigen kann. Außerdem könnt Ihr mir helfen, meinen eigenen Hofstaat einzurichten, und zwar außerhalb des Hofs. Ich habe keinerlei Wunsch, dort zu residieren.«
Sein finsterer Blick verriet mir, dass er nicht erwartet hatte, heute von mir Befehle zu erhalten. »Noch etwas?«
Ich lauschte in mich hinein. In meinem Kopf hörte ich Fernandos Stimme so deutlich, als stünde er neben mir.
Seid tapfer, Isabella .
»Ja.« Ich sah dem Erzbischof fest in die Augen. »Ihr sagt, dass sie mich zwingen werden, gegen meinen Willen zu heiraten. Was, wenn ich mir in meinem Vertrag mit Enrique ausbedinge, dass eine mir angetragene Verbindung nur zustande kommen kann, wenn sowohl die Cortes als auch ich zustimmen?«
»Zustimmen!« Er setzte eine spöttische Miene auf. »Das hat es ja noch nie gegeben, dass eine Prinzessin entscheidet, wen sie heiratet. Die politische Notwendigkeit, nicht der persönliche Wunsch, bildet die Grundlage einer Verbindung zwischen Königshäusern.«
»Ich würde es nie wagen, diesem Grundsatz zu widersprechen«, entgegnete ich, selbst überrascht über meinen ruhigen Ton, denn in Wahrheit galoppierte mein Herz wie wild in meiner Brust. Zum ersten Mal äußerte ich etwas, das bisher nur eine insgeheim gehegte Möglichkeit gewesen war. »Politische Notwendigkeit ist natürlich meine erste Überlegung. Und wer wäre in dieser Hinsicht besser geeignet als der Kronprinz von Aragón?«
Carrillos Augen weiteten sich.
»Er ist die ideale Wahl«, schickte ich hinterher. »Wir sind fast gleich alt und teilen dasselbe Blut. Er ist ein spanischer Landsmann, kein Ausländer, der Kastilien unter das Joch seines Reichs zwingen würde. Er ist schon jetzt ein Krieger, jemand, der Armeen zur Verteidigung seines Landes befehligt hat; er würde mich schützen, so wie auch ich ihn schützen könnte. Bei einer Vereinigung von Kastilien und Aragón würde Frankreich sich einen Angriff zweimal überlegen, und ich hätte einen Feldherrn für meine Armeen an meiner Seite, falls das nötig werden sollte. Es mag mir nicht gestattet sein, eine Rüstung anzulegen oder in die Schlacht zu ziehen, aber ich möchte so respektiert werden, als ob es möglich wäre. Und gewiss ist er es wert, zu …«
»Nicht hier!«, fiel mir Carrillo ins Wort. »Kein Aragonier ist in Kastilien je eines Amtes für wert erachtet worden – schon gar nicht des Amtes, das Ihr für ihn vorseht.«
Mein Lächeln erstarb. » Ich erachte ihn als des Amtes für wert. Das genügt. Oder denkt Ihr das Gleiche wie alle anderen?«
Carrillo überlegte. »Wenn ich so dächte«, antwortete er gedehnt, und fast glaubte ich, ein sarkastisches Lächeln um seine Mundwinkel spielen zu sehen, »würde das denn einen Unterschied ausmachen? Ihr scheint Euch ja schon entschieden zu haben.« Mit erhobener Hand unterband er meine Widerrede. »Zufälligerweise habe ich nichts dagegen. Das ist in der Tat eine hervorragende Wahl. Wie jeder weiß, strebt König Juan schon seit Jahren eine solche Verbindung an, und Kastilien würde davon profitieren, wenn der Prinz seine Auffassung …«
»Er teilt sie«, unterbrach ich ihn. »Das weiß ich.«
»Worauf wartet Ihr dann noch?« Carrillo neigte den Kopf. »Wir nehmen Eure Bedingung in den Vertrag mit auf und senden König Juan einen vertraulichen Brief. Lassen wir das Schicksal seinen Lauf nehmen.«
Als er sich verbeugte, musste ich mit aller Kraft einen Lachanfall unterdrücken.
Ich konnte es kaum glauben, doch soeben hatte ich meinen ersten Befehl als Kastiliens zukünftige Königin erteilt.
14
Niemand wusste, wofür die vier steinernen
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