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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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sein anderer Gehilfe, sprang aus dem Wagen und ging hinter einer Achse in Deckung, ohne Rücksicht auf andere, die ebenfalls dort Schutz suchten.
    Keiner der drei Flüchtenden überlebte lange. Der Erste wurde von drei Bolzen niedergestreckt, die ihn im selben Moment in die Schulter, den Hals und das rechte Knie trafen. Er stürzte im hohen Bogen nieder und ging keine zehn Schritte vom Ausgangspunkt seiner Flucht zu Boden, während sich das Blut in einer Fontäne aus seinem Hals ergoss. Der zweite Mann hielt mitten im Lauf inne, rang mit den Armen um sein Gleichgewicht, wandte sich dem Stadttor zu und hob die Arme über den Kopf, um sich zu ergeben. Einen Herzschlag lang stand er dort, dann rammte sich ein Bolzen mit einem satten Geräusch in sein Brustbein und ließ ihn vom Boden abheben, bevor er rücklings umfiel und dann leblos auf die Seite rollte.
    Der dritte Mann landete bäuchlings zu Füßen eines hochgewachsenen Mönchs und umklammerte im Todeskampf dessen Sandale, die aus einer zerlumpten, knöchellangen Robe ragte. Der Mönch erstarrte bei der Berührung und stand da wie aus Holz geschnitzt, während er benommen auf die blutigen Metallbolzen hinunterstarrte, die den Rennenden so brutal aus dem Leben gerissen hatten. Doch niemand beachtete seinen Schrecken; alle hatten nur Augen für den Toten zu seinen Füßen und nahmen den Mönch kaum wahr – war er doch nur einer von Tausenden seiner Art, die in der ganzen Christenwelt um Almosen bettelten.
    So durchdringend war die Stille, die auf diesen Gewaltausbruch folgte, dass man selbst in einiger Entfernung noch hören konnte, wie ein Eisenscharnier ächzte und das Tor aufschwang, bevor sich die gemessenen Stiefelschritte einer Autoritätsperson vom Eingang des linken Wachtturms her näherten.
    Immer noch regte sich niemand auf der überfüllten Zufahrt zum Stadttor. Reisende wie Wachen schienen erstarrt angesichts der Schnelligkeit, mit der der Tod über den lauschigen Abend gekommen war.
    »Habt ihr denn alle den Verstand verloren?«
    Die Stimme klang rau und harsch, und bei ihrem Klang brach der Bann. Die Menschen regten sich wieder, und Stimmen erhoben sich, stockend zunächst, als wüssten sie nicht genau, wie sie das Gespräch über das Geschehene beginnen sollten. Auch in die Wachtposten kam wieder Leben, und mehrere von ihnen schritten auf die drei leblosen Körper zu.
    Tam Sinclair war ebenfalls aus seinem Versteck gekrochen und gerade im Begriff, seinen Hochsitz wieder einzunehmen, indem er die Achse des Vorderrads als Stufe benutzte und sich mit der Hand an der Fußstütze des Kutschbocks hochzog, als er hinter sich ein Zischen hörte.
    »Bitte, ich habe gehört, wie Ihr mit dem jungen Mann gesprochen habt. Ihr seid aus Schottland.«
    Sinclair erstarrte, dann wandte er sich mit ausdrucksloser Miene um. Die Frau stand am hinteren Ende seines Wagens, und ihre von der Anstrengung weißen Hände umklammerten den breiten Gurt eines prallen Stoffbeutels, der an ihrer Schulter hing. Ihre Gestalt war vollständig in ein Gewand aus grüner Wolle gehüllt, dessen Zipfel ihren Kopf wie eine Kapuze bedeckte und nur ihren Mund und ihr Kinn frei ließ. Sie schien jung zu sein, aber kein Mädchen mehr, dachte Tam. Was er von ihrem Gesicht sehen konnte, war hellhäutig und frei von Schmutz. Er ließ den Blick noch einmal von Kopf bis Fuß über sie hinwegwandern.
    »Ich bin aus Schottland. Und?«
    »Ich auch. Und ich brauche Hilfe. Dringend. Ich kann Euch belohnen.«
    Dies war keine Bauersfrau. Sie flüsterte nicht mehr, sondern sprach mit leiser Stimme, die zwar zitterte, die Worte jedoch klar und präzise formte, und die das Selbstbewusstsein einer Edelfrau ausstrahlte. Tam spitzte die Lippen und sah sich unauffällig um, doch niemand schien sie zu beachten; alle Blicke waren auf das Drama am Boden gerichtet. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass die Frau etwas damit zu tun haben könnte, und trotz seines Argwohns war er beeindruckt von ihrem Verhalten. Er konnte sehen, dass sie große Angst hatte, und doch besaß sie die Geistesgegenwart, die Ruhe zu bewahren. Seine Antwort war leise, aber höflich.
    »In was für Schwierigkeiten befindet Ihr Euch denn, Mylady? Was wollt Ihr von mir, einem einfachen Kutscher?«
    »Ich muss in die Stadt. Sie sind … es ist jemand auf der Suche nach mir.«
    Sinclair beobachtete sie, den Blick fest auf den breiten Mund gerichtet, der eigentlich das Einzige war, was er von ihr sehen konnte. »Ist das so?«, fragte er. »Und wer ist es,

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