Der Schwur der Venezianerin
lüsterner Liebhaber und ein träumerischer Alchimist, ein Spieler und Trinker, ein vergnügungssüchtiger Mensch. Er hat eine Aufgabe übernommen, die ihm die Verantwortung über sein Volk gegeben hat.“
Die Wut, dass er niemals seinem jüngeren Bruder Paroli bieten konnte und der grenzenlose Zorn über dessen freie Ausdrucksweise übermannten den Großherzog, und sein haltloses Wesen brach aus ihm hervor:
„Die größte Qual ist es, ein Leben nach Vorschrift zu führen, nach den Vorschriften der Toskana, der Medici, der Päpste, der Kirche, meines Vaters. Ich werde nicht auch noch nach den Vorschriften meines Bruders leben. Was interessierte mich ein Herrscherhaus, ein Kaiser? Was interessierte mich ein Weib, das ich nicht liebte? Woran wird sich die Welt eines Tages erinnern? An Francesco? Sie wird sich an die Kunstwerke erinnern, die ich mit Staatsgeld gekauft habe, an Gebäude und irgendwelche Ruhmestaten. Ich lasse mein Bild in den Uffizien aufhängen. Was habe ich davon, wenn über die Jahrhunderte hinweg, Tausende, Millionen Menschen an meiner Statue vorbei defiliert sind, den großen Medici bewundert haben werden. Wenn sie auf dem Bild in meine braunen Augen geschaut haben werden, werden sie? Werden sie nicht eher auf die Falten meines Mantels schauen, auf die Figuren hinten an der Wand? Was nützt mir der Ruhm im Glanze der Medici, der mir nicht ein wenig Süße in mein Dasein füllt? Schaut Euch Lorenzo an, die Statue an den Uffizien, hat der Stein ihn besser oder schlechter gemacht, glücklicher oder trauriger? Wenn ich etwas tun muss, Bruder Kardinal, was ich nicht mag, darf ich doch noch fragen, warum um Gottes willen, ich es tun muss? Für den Staat, für die Medici oder für wen? Ich habe keine Lust, den Ruhm der Medici zu mehren. Ich tue das, was ich tun will, weil es mir Spaß macht. Die Uffizien machen Spaß, die Frauen machen Spaß, die Poesie macht Spaß, die Alchemie macht Spaß. Himmlisch diese Dämpfe, die ich einatme, sie zeigen mir an, dass ich etwas schaffe. Eminenz? Der Duft der Macht ist lästig, widersinnig, zerstörerisch. Die Alchemie zeigt meine Schöpferkraft, das Experiment erfüllt meine Seele. Der Arzt sagt, ich werde daran sterben. Diese Quacksalber haben stets gutes Reden, geben sich gelehrt. Und doch sollten sie die Ersten sein, die die eigene Unfähigkeit begreifen sollten, dem Menschen Glück zu bringen. Und darüber hinaus? Ist es nicht gleichgültig, woran ich sterbe? Wenn ich an den Dämpfen der Alchemie sterbe, sterbe ich an etwas, das ich selbst geschaffen habe, das ich kreiert habe. Ich bedaure den Feldherrn, der auf dem Schlachtross von einem Speer seiner Feinde getroffen wird, schlimmer noch den Mächtigen, der den Intrigen seiner Feinde zum Opfer fällt. Glaub mir, um uns herum sind allerorten und jederzeit Intrigen. Die Welt ist gemein, tückisch und rachsüchtig. Ihr sprecht von den Intrigen Biancas. Woher kennt Ihr sie, woher wisst Ihr davon? Habt Ihr sie mit Hilfe von Intrigen kennengelernt? Über Eure Spione erfahren? Lasst uns lieber von Euren eigenen Machenschaften sprechen, die nicht nur im Hause Medici herumzaubern, sondern auch noch in der Kirche.
Und doch, mein Bruder, welches Leben führt Ihr? Das Leben eines Henkers, eines Inquisitors? Es ist mir gleichgültig.
Aber schert Euch nicht um meine Belange, haltet Euch raus. Oder habt Ihr etwa, Ferdinando, andere Ziele vor Augen? Stets war es Euch ein Dorn im Auge, dass ich der Erstgeborene von Cosimo war. Allzu häufig habt Ihr mir von dem Zufall der Erstgeburt gesprochen. Ihr habt mehr im Sinn? Stimmt das? Doch ich warne Euch, ehe Ihr mir den Giftbecher reicht, hat die Hand des Todes längst nach Euch gegriffen.“
Ferdinando war überrascht über den plötzlichen Ausbruch seines Kontrahenten, was alles hatte dies mit ihrer Auseinandersetzung zu tun? Er verstand den gefühlsmäßigen Ausbruch seines Bruders nicht. Er zeigte wieder einmal seine Schwäche, die ihn für das Amt des Großherzogs unfähig machte, fasste er das alles zusammen.
„Putzt Euch den Schaum vom Mund“, antwortete er kalt und zynisch, so könnt Ihr nicht vor Euer Volk treten, noch nicht einmal ins Bett Eurer Geliebten steigen.“
Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete er sich, ohne dass ihn der Großherzog dazu aufgefordert hätte.
„Verdammter Hurensohn“, zischte Francesco hinter ihm her, „es wird Zeit, dich an die Ketten zu legen.“
Sie war viel zu neugierig, als dass sie auch nur einen Moment länger auf
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