Der Schwur der Venezianerin
gewünscht. Sie hätte ihm zeigen können, wie sehr sie ihn liebte, wie glücklich sie nun wäre. Erschreckt stotterte er herum, um auf ihre Forderungen zu antworten.
„Bianca, ich verstehe nicht recht.“
„Es ist ein gutes Zeichen, mein Francesco, dass ihr Leichnam noch nicht erkaltet ist, und du schon in meinen Armen liegst. Nicht nur die Frauen empfinden das höchste Glück der Befriedigung, wenn ihr Gatte gerade verschieden ist. Auch die Männer empfinden doch ebenso, wenn ihre Gemahlin sich gerade verabschiedet hat. Wir sollten planen, wie wir die nächsten Schritte am schnellsten erledigen werden.“
Verstört schaute Francesco auf die Frau neben ihm im Bett.
„Lass mir Zeit.“
„Lass mir Zeit, lass mir Zeit?“, fragte sie erregt. „Wozu brauchst du noch Zeit? Welche Entscheidung musst du noch treffen?“
„Ich muss alles für die Beerdigung arrangieren. Ich muss die Trauerzeit einhalten.“
„Siehst du, das sind doch schon die ersten Überlegungen und Planungen. Natürlich verstehe ich, das Haus Medici muss die Sitten und Gebräuche einhalten, daran kommst du nicht vorbei. Niemand aber kann sich daran stören, wenn wir insgeheim alle Vorbereitungen für unser glückliches Beisammensein treffen. Vor allem erfährt niemand etwas davon. Eile dich. Komm bald zurück. Ich brauche dich. Ich kann mir vorstellen, du brauchst mein warmes Bett mehr denn je zuvor. Jetzt aber geh und tue das Notwendige.“
Es war nicht seine Art, so mit den gefühlvollen Dingen, mit den Sitten und Gebräuchen, so mit den Notwendigkeiten umzugehen. Ihre herrischen Befehle kamen ihm überraschend. Warum vertraute sie ihm jetzt nicht? Was waren ihre wirklichen Ziele?
Bianca hatte sich erhoben und ging im Nachtgewand zum Fenster. Sie ließ sich in einem Sessel nieder, schaute auf die gegenüberliegende Straßenseite dachte über die Geschehnisse nach. Sie stützte ihren linken Ellbogen auf der Lehne ab und legte ihr Kinn in die geöffnete Hand. Mit leicht zusammengekniffenen Augen versuchte sie, die Tragweite aller Geschehnisse zu erfassen. Francesco hatte sich zu seinen Pflichten verabschiedet.
Es war so gekommen, wie es in ihren Plänen lag. Nur noch ein kleines Hindernis war übrig geblieben.
Obwohl sie wusste, dass sie an diesem Abend allein bleiben würde, nahm sie ein warmes Bad, pflegte ihre Haare und rieb sich mit duftenden Ölen und Cremes ein. Sie betrachtete ihren nackten Körper vor dem Spiegel, der noch immer attraktiver als der eines jungen Dings für die Männer war. Nicht nur ein Mann würde sein Leben für sie opfern. Sie lächelte dabei, sie kannte genügend, die sich ihr sofort hingeben würden. Ihre Anziehungskraft war nicht gebrochen. Zwar hatte ihr Körper nicht mehr die reine, jugendliche Frische einer Achtzehnjährigen. Die Reife ihrer Erscheinung ließ die Männer jedoch noch mehr erzittern. Diese Reife thronte von nun an der Seite des Großherzogs der Toskana.
„Johanna, du durftest nicht länger warten. Jetzt bin ich an der Reihe“, lächelte sie in den Spiegel.
Zu später Stunde klopfte es herrisch an die Haustür. Ihr Portier öffnete. Ein Bote hatte den Auftrag mit der Frau des Hauses persönlich zu sprechen.
Er überreichte ihr einen verschlossenen Umschlag mit schwarzen Rändern.
„Kardinal Ferdinando d’ Medici lässt Euch die tiefsten Beileidsbekundungen überbringen.“
Verblüfft schaute sie dem Überbringer in die Augen. Er wirkte ernst und bedauerte auch für sich selbst den Tod der Großherzogin.
„Signorina darf ich Ihnen mein tiefstes Beileid aussprechen?“
Sie nickte und begab sich mit dem Trauerbrief in das Piano Nobile. Sie setzte sich vor den Kamin und schaute neben dem Gemäuer aus dem Fenster auf die Via Maggio. Ihr Blick war ernst. Bianca dachte an kommende Aufgaben und Verpflichtungen. Im Kamin knisterte das Feuer. Ab und zu knallte ein Harzrest. Der warme Geruch verbrannten Holzes erfüllte die Luft zu einem angenehmen Duft. Sie wurde müde. Endlich würde ihr langer Weg zu einem erwünschten Ergebnis führen. Bevor ihr die Augen ganz zufielen, fühlte sie das Beileidsschreiben des Kardinals auf ihrem Schoß. Sie nahm es in beide Hände, öffnete das Siegel und faltete den Brief auseinander.
Es gab nur eine einzige Zeile in dem Schreiben:
„Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt, nun seien alle Tore für Euch offen.“
Großherzogin Bianca Cappello
Was würde sich letztlich als stärker erweisen? Ihre Wünsche und Vorstellungen oder das Diktat aus Rom?
Würden
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