Der Schwur der Venezianerin
nun sanktioniert wurde. Johanna hatte den Bürgern höchstenfalls leidgetan. Sie selbst wurde aber auch nicht von ihnen gemocht. Zu arrogant und anspruchsvoll, zu unnahbar galt ihnen die germanische Kaiserschwester. Nun aber stand ihnen eines der schönsten Feste bevor, das würde man sich nicht entgehen lassen, man würde mitfeiern und sich freuen. Ohne Zweifel würden die Feierlichkeiten durch die Anwesenheit der prachtvollsten Schönheit im Herrscherhaus, Bianca, an Attraktivität gewinnen. Viel zu neugierig war man auf sie, wie sie gekleidet war, welchen Rang andere Frauen in der Zeremonie einnahmen. Dazu erwarteten die Florentiner alle großen Herrscher Europas oder zumindest große Abordnungen. Der Saal der Fünfhundert würde für die Kirchenfeier nicht ausreichen. Nur einer fehlte bei der Hochzeit trotz Einladung, Kardinal Ferdinando d’Medici.
Die Decke des wuchtigen Saales war erst vor nahezu zehn Jahren um 12 brachien erhöht worden. Alle Künstlergrößen der Zeit hatten sich an dem Prachtwerk geübt. Skulpturen und Gemälde, Schnitzereien und Statuen, eine einzigartige Inszenierung der Größe der Medici, eine Theaterbühne, die keinen Zweck außer der Verherrlichung des Herrscherhauses hatte. Vor allem die Werkstatt Vasaris, eines der größten Künstler seiner Zeit, einem Geniemaler und Architekt, hat in großflächigen Allegorien, Schlachtengemälden und Darstellungen des Strategen und der Apotheose Cosimos, die göttliche Herrlichkeit der Medici dargestellt. In dieser Vergöttlichung Cosimos, an der Decke des Saales, schmückte eine engelgleiche, nackte Schönheit den Herrscher mit dem Siegeskranz. Eine Putte hält zu seiner linken die goldene Krone, besetzt mit unzähligen Edelsteinen. Cosimo sitzt gelassen auf einem Thron, von einem wallenden roten Brusttuch umhüllt. Sein strenger, ernster Blick demonstriert Würde und im gewissen Sinne Vaterschaft. Um ihn herum spielen eine große Anzahl von Putten, unschuldigen Kindern gleich, derer er sich wohl noch recht gut erinnerte. Die Eroberung Pisas und Sienas machten auf den Betrachter den gewaltigsten Eindruck. Stolze Ritter mit stolzen Rössern zeigten die gewaltige Wucht der Florentiner Herrschaft.
All diese Gemälde hatte sich Bianca des Öfteren vor ihrer Hochzeit angeschaut. Immer lief es ihr bei der Betrachtung eiskalt den Rücken runter. Stets verband sie die Gemälde mit ihrer eigenen Krönung. Nicht nur deswegen hatte sie bei ihrem Gemahl darauf bestanden, die Trauung in diesem Saal der Fünfhundert stattfinden zu lassen. Ein anderer Grund war der, die Kirche von der Schwierigkeit einer Zeremonie im Duomo zu befreien. Sie legte ohnehin keinen Wert darauf.
Oft genug hatte sich Bianca auf den Balkon in der Sala über die „Udienza“ begeben und von dieser Galerie aus die Tiefe des Raumes überblickt. Göttlich war der Blick für den Betrachter von hier oben. Am liebsten hätte sie sich selbst als himmlische Braut gesehen. Nun aber stand sie am Altar bei der kirchlichen Zeremonie, mit all den vielen kriegerischen Gemälden, Rittern und Kämpfern um sie herum. Verstohlen schaute sie auf die Wand zu ihrer Rechten. Hinter dieser Wand lag das Studiolo und Francescos geheime Kammer, die einen direkten Zugang in das Treppenhaus gewährten. Über die Hintertür war sie von Beginn ihrer Beziehungen an hier hereingekommen, während in den Räumen auf der linken Seite die Großherzogin Johanna im Bett ruhte, wenn sie nicht gerade im Palazzo Pitti weilte. Die Zeiten der Hintertür waren ein für alle Mal vorbei, indem sie durch das Hauptportal geschritten war. Zu ihren Ehren wurde das Fest gefeiert. Ihr Gesicht triumphierte, ihre Augen trugen einen verschmitzten Lichtschimmer, wenn sie an die wunderbaren Erlebnisse im Studiolo dachte. Die Gemälde an den Wänden schafften es immer wieder, den Reiz der sexuellen Begegnung zu erhöhen. Darauf würde sie auch in Zukunft nicht verzichten.
Durch die riesenhaften Fenster fiel das weiche Oktoberlicht in den Saal und überflutete die feierlichen, kirchlichen Zeremonien mit einem friedlichen Heiligenschein. Ruhe kehrte in das Herz von Bianca ein, endlich würde sie diese Ruhe finden, so dachte sie. Noch stand ihr der Hochzeitszug bevor, das Geschehnis, das die Herzen der Florentiner für ihre neue Großherzogin erwärmen sollte. Zunächst fuhr in einer Gold geschmückten offenen Kutsche, gezogen von vier Schimmeln, das Hochzeitspaar nach der Trauung in Begleitung der Gäste über den Ponte Vecchio zum Palazzo
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