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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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gehen, weil er mit Widerstand, mit Dornen und Entbehrung gepflastert ist. Die Bequemlichkeit lässt die meisten unserer Schwestern davor zurückschrecken. Ich verurteile dies nicht als schlecht. Nur sollten sie sich nicht beklagen.
    Schaut Euch in unserem kleinen Kreise um. Signora Constanza Fedeli ist eine Frau mit hohem Wissen, deren Rat sogar der Doge erbittet. Sie lebt in einem bescheideneren Haus, als manch eine Dame, die ihrem Wissen nicht das Wasser reichen kann.“
    Bianca blickte errötend auf das Gesicht der Frau, über die soeben gesprochen ward. In dem Palazzo ihres Vaters, des Bartolommeo Cappello, wurde über weniger Reichtum niemals gesprochen, geschweige denn über mehr Bildung. Nur manchmal sprach man mit Verachtung von einem Handelsherrn, der seines Vermögens verlustig gegangen war und der nicht mehr zu dem Kreis der Auserwählten zählte. Sie schaute neugierig auf das stolze und selbstbewusste Gesicht der Signora Fedeli. Sie war nicht gerade schön zu nennen. Und doch zog ihr Gesicht sie an, wie die Sonne das Lachen der Menschen.
    „Doch was rede ich von anderen“, setzte Cassandra Varona ihre Antwort auf Biancas Frage fort. „Lasst die Damen selbst berichten. Paola, Ihr seid dran. Helft unserer jungen Frau, die Gründe für einen eigenen Weg zu finden.“
    „Gern bin ich dazu bereit, wenn Ihr es vernehmen wollt.“
    Sie wandte sich der jungen Bianca zu und fand in ihrem heftigen Kopfnicken die Aufforderung sich zu äußern.
    „Eure Tante, Signora Gritti, hat mir von Euch, Signorina Bianca Cappello, berichtet. Von Eurem wohlhabenden Vater, dem Verlust Eurer lieben Mutter und der Unbill mit Eurer Stiefmutter. Schätzt Euch glücklich, von Frau Gritti so geachtet zu sein, dass sie Euch zum Denken für Euch selbst verhelfen will“, sie verneigte sich vor der Herrin in ihrem eigenen Haus. „Ich sage mit Bedacht, ‚verhelfen will‘, denn schließlich wird es an Euch liegen, was Ihr daraus macht. So seht mich an. Ich will Euch nicht mit Stolz und Hochmut begegnen. Eher ein wenig von meinem Leben berichten, wie es in Schwierigkeiten kam, und ich dennoch glücklich bin.“
    Sie schaute sich um, blickte auf die jungen Hofdamen, die am hinteren Ende des Piano Nobile auf Kissen belegten, steinernen Bänken in einer Fensternische saßen und flink die Häkelnadel zwischen den Fingern tanzen ließen.
    „So führte ich eine Weile mein Leben umsorgt in dem Palazzo meines Vaters und der Mutter. Vielleicht ist meine Jugend mit der Eurigen vergleichbar. Es war für mich alles geplant. Mit einer großen Mitgift sollte ich dem Neffen des Fürsten von Urbino vermählt werden. Ich sah meine Zeit auch in deren Schloss auf dem Berg in dem Gebirge mit Stricken und Häkeln, mit Spielen und Tanzen verbringen. Ich wähnte mich in dem Bett eines durchaus schönen Mannes. In meinen Träumen war ich ihm in Liebe zugetan, nur hat er mich nicht als seine Liebe betrachtet, er hielt mich wie eine stolze Mätresse und ließ mich einsam im kalten Zimmer liegen. Alldieweil entschuldigte er sich mit Geschäften und Kriegen, weswegen er die häusliche Burg verlassen müsste, wobei ich ahnen konnte, dass er die bekanntesten Mätressen des Landes besuchte.“
    Allzu bekannt, allzu normal waren ihr die Worte der Dichterin Paula Gambara. All dies kannte sie aus dem eigenen Palazzo. Sogar die Mutter hatte darüber berichtet. Wie unterschiedlich zu diesen Leben der Frauen, stellten sich die Männer auf den Festen im Palazzo Cappello. Wie herrlich, wie abenteuerlich, wie stolz waren all die Leben, von denen sie gehört hatte. Der Wahrheit näher kamen die Berichte der Signorina Paola. Wie langweilig und erdrückend waren für Bianca selbst die quälenden Aufforderungen der Stiefmutter, die Häkelnadel zu nehmen und die Laute zu spielen. Ihr Blick richtete sich in den elterlichen Palazzo am Rio del Ponte delle Beccarie.
    „Seid Ihr weiterhin neugierig auf meine Erzählung?“ Die Stimme der Dichterin kam wie aus einer fernen Welt. Sie erschrak ob ihrer sichtbaren Unhöflichkeit.
    „Verzeiht, Signorina Gambara, Eure Worte haben mich zu mir selbst gebracht. Ich fühlte mich einen Augenblick betroffen. Doch bitte ich Euch berichtet weiter und erweist mir Hilfe bei meiner eigenen Wegfindung.“
    „Ihr, Bianca, habt das Wunder der ‚Löwenreiterin‘ vollbracht. Die Gemälde von Tizian und Tintoretto haben Euch den Ruhm zu Füßen gelegt. Ihr habt Euch kostbar gemacht. Achtet nun darauf, dass Ihr nicht der Ring am Finger einer groben

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