Der Schwur der Venezianerin
streng in Eurem Urteil, Messer Balzano?“, zweifelte Bianca an der Härte seiner Worte. „Was ist mit der Kirche, mit den Adligen und den reichen Händlern in seinem Land? Sind sie bereit, ihm willig zu folgen?“
„Geschickt hat dieser Herzog es verstanden, die Kirche und die meisten seiner Händler und Bankiers auf seine Seite zu ziehen. Wer von dem alten oder neuen System einen Gewinn erzielt, der wird sich schwerlich gegen den Betreiber wenden. Der eigene Säckel mit den Golddukaten in der Tasche ist bedeutsamer als die freie Rede, von der die meisten ohnehin nicht wissen, wann sie bedroht erscheint, oder wie sie zu handhaben ist.
Die Kirche aber Bianca ist der Faktor dessen sich der neue Herrscher unumwunden selbst bedient. Wer sich in der Kirche dem Pfarrer beugt, der gilt als frommer, christlicher Mensch. Wer dafür sorgt, dass die Herrschaft der Kirche unangetastet bleibt, hat selbst das Recht zu herrschen. Nach jedem Sieg, den Cosimo - besser gesagt seine Generäle - mit schlimmen Folgen für die Menschen errang, hielten seine Schergen einen Dankgottesdienst mit lautem Jubel ab. Meist noch zog er dann nach Rom, um von dem Papst den Segen und die Weihen zu ergattern.
In unseren Tagen befinden sich die Inquisition und das Heer von Cosimos Spionen in einer Hand, auch wenn es zwei Häupter sind. Sie arbeiten Hand in Hand und helfen sich gegenseitig, die freien Denker auszumerzen.“
„Ihr malt mir ein zu schwarzes Bild des Nachbarn aus der Toskana an die Wand, Messer Balzano.“
„Doch trifft es zu, und viele wünschten, sie wären eher in Venedig oder Mailand, als dem Herrscher der Toskana zum beliebigen Verwenden. Doch sagtet Ihr nicht, Bianca, Ihr wolltet Eure Tage in Venedig und Umgebung verbringen. Besser ist es fraglos, als nach Florenz zu ziehen.“
Sie vernahm seine Worte und legte sie wie in einem alten Schrank ab, als hätte sie nichts damit zu tun. Sie erfuhr eine weitere Enttäuschung, was die Herzöge in Florenz betrafen.
Es gab mehr Klippen, die sie in ihrem Leben umschiffen musste, als die Stunden zur Bildung bei ihren Lehrern aufwiegen konnten.
Stiefmutter Lucrezia
Die Tage bei Tante Gritti ließen sie mehr als es gut war, den Drachen im Palast der Cappello, wie Bianca sagte, vergessen. Denn wie die Daumenschrauben der Inquisition arbeitete das bigotte Gehirn ihrer Stiefmutter, um die Freiheit des Mädchens zu beschneiden.
Mit einem scharfen Messer schienen die erhabensten Augenblicke der Löwenreiterin von Ihren Gesprächen über Bildung im Hause der Tante Gritti abgetrennt. Bartolommeo und nicht zuletzt Lucrezia zeigten ihr sehr schnell, nach welchen Gesetzen im Hause Cappello gehandelt wurde.
„Ich werde weder in ein Kloster gehen, noch werde ich irgendjemanden heiraten, der mir nicht passt“, waren die Worte Biancas, die den Hass Lucrezias hervorriefen. Der Strom der freien Worte bei Frau Gritti und Messer Balzano verengte sich unter der Herrschaft der Stiefmutter in einem stinkenden Abwasserkanal.
„Du wirst das tun, was wir für dich als richtig erachten“, keuchte Lucrezia. Dabei hatte sie die Zustimmung des Vaters gefunden, der sich die Entscheidung als Familienoberhaupt nicht nehmen lassen wollte. Mit geschickten Worten hatte es die Gattin des Cappello verstanden, an seine Macht zu appellieren. Als sie erkannte, dass die junge Tochter ihrem Einfluss zu entschwinden drohte, sich immer mehr mit sich selbst und den Schriften der neuen Denker beschäftigte, hielt sie es für angebracht, den Vater an eine christliche Erziehung zu erinnern.
„Bartolommeo, Bildung ist für ein Mädchen gut. Doch muss es die Bildung des Herzens sein, die Bildung, die mit den Wünschen unserer Kirche in Einklang steht. Was ist das für ein Mann, der in einem fremden Haus deine Tochter zu solch unerhörtem Widerspruch erzieht“?, Lucrezia hatte den Ruf dieses gelehrten Mannes noch nicht vernommen. Nur hatte sie gehört, dass er als gottlos galt.
„Dieser Balzano macht aus deiner Tochter einen Rebell, und sie stellt sich gegen dich. Findest du nicht auch, dass es allerhöchste Zeit ist, das Mädchen wieder unter unsere Obhut zu bringen? Wir müssen dafür sorgen, dass deine Tochter nach den Lehren unserer Kirche erzogen wird.“
Bartolommeo überblickte die letzten Jahrhunderte. Er erkannte wohlwollend, mit wem die Familie zu Reichtum und Wohlstand gekommen war. Dazu brauchte er nur auf die silbernen Schüsseln und den goldenen Schmuck in seinem Palast zu schielen.
Die Enttäuschung
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