Der Schwur der Venezianerin
Hand seid, der bei Gelegenheit gewechselt wird.“
„Wie soll das geschehen?“
„Die Männer mögen schöne Schenkel, um sich an ihnen zu ergötzen. Sie lieben das Wunder im Dunst des Morgennebels auf der Markussäule. Nichts Böses, denke ich, ist dabei. Doch ist dies nur die Leiter, die Ihr anlegt. Die Stufen weiter müsst ihr mit eigener Kraft ersteigen. Dazu verhilft Euch das gut geführte Gespräch, die Achtung, die ihr erwirkt. Ihr werdet sehen, der Widerstand, den ihr dem Manne in einer klugen Rede erweist, erhöht den Reiz des Nicht-Erreichbaren. Und wenn Ihr den Mann nicht wollt? Nun gut, Ihr tragt einen Sieg nach Hause, der nicht den willkürlichen Geschenken der Natur gebührt, eher dem eigenen Können. Doch bleibt es stets Eure Entscheidung, was Ihr aus einem Sieg macht. Und glaubt mir eines. Die Gaben der Bildung halten länger an, als ein bewunderter Busen oder ein schöner Schenkel.“
„Und dennoch, vergiss nicht die Schönheit mit ins Feld zu führen, solang sie dir gegeben ist“, Tante Gritti formte mit den Händen den vollendeten Körper ihres Schützlings nach.
Die Damen widmeten sich nun in ihrem Gespräch dem Wert der Kunst, die sie für einen Despoten haben mochte. Da sich Biancas Sinn ausrichtete auf die Ergänzung ihrer Schönheit durch Bildung in Kunst und Sprachen, fand sie an diesen Unterhaltungen Gefallen und lernte das Für und Wider eines guten Gespräches.
Die Despotie im Haus des Herzogs in Florenz und in der Erziehung seines Thronfolgers, Francesco, fand nur in geringem Maße ihr Interesse. Wohl aber dachte sie daran, den designierten Nachfolger in der Toskana aus seiner Schläfrigkeit zu holen.
Wie und ob sie das zustande bringen könnte, war ihr noch unklar, zumal sie in den Worten der gebildeten Frauen eher eine Warnung entdeckte, sich auch nur in Gedanken den Medici zuzuwenden. Daraus las sie für sich eine große Enttäuschung ab.
Im Kreise dieser Frauen, unter den Fittichen von Messer Valeriano Balzano reifte sicht- und spürbar ihre Bildung. Doch gaben ihr die praktischen Stunden für das Leben von Tante Gritti, die Stunden, die sich mit Schönheit und körperlicher Raffinesse, mit der Wirkung der weiblichen Anziehungskraft beschäftigten klarere Ziele vor. Die Schönheit selbst, wie Bianca von manch einem bezeichnet wurde, war dort mit größerem Interesse bei der Sache.
Zeigte sich da eine Tendenz, oder ließ sich das Schwergewicht ihres Interesses noch nicht absehen?
Das Blatt wendet sich
Es waren die schönsten Tage im Unterricht, die Bianca bei ihrer Tante erlebte. Sie erfuhr, wie sie Cremes, Salben und die Öle für ein Bad zu mischen hatte. Nichts ließ Frau Gritti aus, und Bianca übte sich in der Herstellung all dieser wundervollen und exotischen Essenzen.
In ihren Händen wuchs das Werkzeug heran, das sie zu dem führen sollte, was sie sich immer gewünscht hatte. Sie würde nicht das liebe kleine Mädchen bleiben, das den Wünschen des Vaters und der Stiefmutter entsprach, um den Reichtum der Familie zu mehren oder abgeschoben in einem Kloster den Rest der Tage verleben sollte. Wenn sie wollten, sollten sie selbst dorthin gehen. Für die Stiefmutter wäre ein Nonnendasein ohnehin der beste Weg, dachte sie zynisch.
Und tatsächlich, das Kloster lieferte für ihren Vater Bartolommeo die beste aller Lösungen. So könnte er sich endgültig mit der Mutter Kirche versöhnen, sich den Schlüssel für das Himmelreich verdienen. Zu viele böse Taten waren in der langen Vergangenheit der Familie angehäuft worden. Zu viele schlimme Dinge hatte er selber in seinem Leben auf den Weg geschickt. Seine einzige und so schöne Tochter schien ihm bei ihrem Verzicht auf ein eigenes genussreiches Leben der rechte Ausgleich für die Kirche, wie ein Ablass, der ihn von allen Strafen befreien würde. Er fand seine zweite Frau, Lucrezia, Biancas Stiefmutter, an seiner Seite.
„Dieses widerliche Weib“, wie Bianca sie nannte, „war ohnehin von den Vorstellungen mit den Künstlern mehr entsetzt als angetan.“
Die Eifersucht über Schönheit, Klugheit und Anerkennung der Haustochter beschäftigten Lucrezias Gedanken bis zur Unterdrückung.
Andererseits träumte Bartolommeo davon, die körperlichen Reize seiner Tochter gut zu verkaufen. Irgendwo würde sich ein Herzog finden, der für ihren Lust erregenden Körper empfänglicher wäre als für eine hohe Mitgift. Ein Herzog, mit dem er wohltuend seine eigene Familie endgültig und für immer etablieren könnte. Mit
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