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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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oder meinte sie sich selbst? Wie sollte er ihrem schnellen Hin und Her folgen können? Es war zu viel für Pietro, ihre Gedanken blitzten sekundenschnell auf, verwischten ineinander, ließen gleichzeitig mehrere Berechnungen zu und sprangen von oben nach unten, von rechts nach links, schneller, als dass man die Bilder greifen konnte. Ihm blieb nichts anderes übrig, wollte er nicht als Bewerber aus dem Rennen fallen, als dieses schnelle atemberaubende Spiel mitzuspielen. So fasste er sich schnell, vergaß den Ernst des Tages, vergaß die Möglichkeit eines eingreifenden Vaters, einer herrschenden Mutter und erklärte weiter:
    „Noch hab ich Euch nicht Genaueres über den Auftrag meines hier Seins gegeben. Tatsächlich bin ich nur deswegen hier, Euch kennenzulernen.“
    „Das habt Ihr so meinem Vater gesagt, den Ihr gar nicht kennt? Habt ihm weiß gemacht, er müsste Euch eine Einladung geben, damit Ihr seine Tochter mit dummen Sprüchen beehrtet.“
    Erneut lachte Bianca aus vollem Halse, und immer wenn ihre Zähne feucht fröhlich blitzten, dann öffnete sich sein Herz ein Stückchen weiter. Das junge Wesen an seiner Seite verschaffte sich wie von selbst den Eingang zu seinen Entscheidungen. Mutig versuchte er, näher an sie heranzukommen.
    „Warum, so frage ich Euch allen Ernstes, meine junge Dame, könnt Ihr Euch nicht an mich erinnern?“
    „Kann ich wirklich nicht, allerdings mag es mehr an mir als an Eurer Erscheinung zu liegen“, schränkte sie ein.
    „Wir haben oft den Kontakt miteinander gepflegt, haben uns miteinander ausgetauscht, miteinander über Liebe und Zuneigung, über Schönheit, Abenteuer gesprochen und nicht zuletzt auch über Lust.“
    „Eure Fantasie zumindest erscheint mir grenzenlos“, hielt sie ihn ein wenig zurück.
    „Vielleicht zu frech von mir geantwortet, doch will ich Euch die Wahrheit sagen, nichts als die Wahrheit, um Euren Wissensdurst zu befriedigen. Vor einiger Zeit erlebte ich die Künstler Tizian und Tintoretto gemeinsam mit dem schönsten Kunstwerk, das sie beide je gemalt hatten. Das war das erste Mal, dass ich Euch begegnete, es war auf dem Sommerfest. Doch mein Bankhaus ist nicht weit von Eurem Balkon entfernt. Von dort sah ich Euch, fröhlich das eine Mal, traurig das andere Mal..“
    „Wie es bei Menschen üblich ist …“
    „Ich sah Euch vor dem Fenster sitzen und sticken, und wie Ihr heimlich die Blicke in die Menschen warft, als suchtet Ihr den Ausgang aus dem Haus, als würdet Ihr nichts sehnlicher erwarten, als einen Prinzen kennenzulernen. Ich sage Euch, schönes Mädchen: Hier ist der Prinz, ich will Euch küssen.“
    Erneut gurgelte Biancas Lache rollend und dann wieder hell und klar durch den grünen Garten und erfreute manch einen anderen Gast des Hauses. Pietro erfasste die Situation, ließ nicht zu, dass ein anderer liebesdurstiger Held sich ihrer annahm, entführte sie in die Tiefe des Gartens auf eine Bank und war sich sicher, hier ganz allein mit ihr plaudern zu können. Die Amme Cattina näherte sich schweigend, wohl im Auftrag der geifernden Mutter.
    „Hab Erbarmen, Cattina“, flüsterte Bianca, „lass mich ein wenig mit diesem Mann reden. Er ist ein Verbündeter meines Vaters, ein Bankkaufmann, der dem Hause Cappello noch manch einen notwendigen Kredit eröffnen kann. Ich will mir seine Gunst erhalten. Mach dich nicht strafbar, Cattina, und vergraule ihn nicht. Mein Vater würde es dir übel nehmen.“
    So wie Bianca selber, so lachte auch Cattina wegen dieser gekonnten Abwehr schallend und Pietro schaute verwirrt um sich, suchte nach dem, was er glauben sollte. Doch Cattina entfernte sich diskret einige Schritte, tat so, als ob sie die beiden beobachten würde, und interessierte sich nicht für das Geschehen bei den jungen Menschen.
    Pietro hatte es bemerkt, dass Bianca sich bemühte, mit ihm länger zu verweilen, sogar zur Lüge griff, um sich und ihn zu schützen. Das nahm er auf und freute sich, mit ihr die Zeit noch eine Weile zu genießen. Dennoch war es notwendig mit ihr eine Vereinbarung zu treffen, denn jeden Augenblick konnte nicht nur eine andere Erzieherin, eine strengere Amme, sondern sogar die Mutter selber auftauchen und das stille Glück vernichtend in die Flucht schlagen. Ihn trieb auch die Angst um, ein anderer Galan könnte sich überlegen, wie ihm die Beute abzujagen wäre. Also stellte er seine Absicht darauf ein, ihr ein Versprechen zu entlocken, ihn wieder zu sehen, sich mit ihm zu treffen, an einem Ort, der beiden

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