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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Emiliano, das Gebirge, das sie von Florenz trennte. Bevor die Biegungen enger wurden, der Steg schmaler, die Hänge steiler, stießen sie auf die Stadt Brisighella.
    „Wie gerne würde ich in den heißen Quellen baden“, Bianca lechzte nach dieser Erfrischung. „Schon in unserem Palazzo habe ich von den Wunderheilungen nach einem Besuch in diesen Quellen gehört.“
    „Es wäre für die Leute ein reines Vergnügen, einen Bettelmönch mit den üppigsten weiblichen Formen in den Bädern zu sehen. Ich bin sicher, schon manch einer würde allein durch deinen Anblick gesunden“, grinste Pietro.
    Auf dem Marktplatz sammelte sich eine Menschenmenge und sie fragten nach, was sich da täte. Bald schon erfuhren sie den Grund für die aufgeregten Gruppen.
    Ob nun in Venedig auf der Piazza San Marco, der Piazza Navona, auf der Rialtobrücke oder während des Karnevals an vielen anderen Stätten, häufig waren sie den Gauklern, Komödianten oder Scharlatanen begegnet. Mit viel Musik, lärmenden Vorführungen und Wundertricks versuchten die Schausteller der Medizin ihre Heilmittel, Salben und Öle zu verkaufen. Brisighella lag weiter weg von den vielen Besuchern aus anderen Ländern und dem Andrang von Menschen während des Karnevals, um hier an ein größeres Massengeschäft glauben zu können.
    Dafür aber trafen die Scharlatane in dem Provinznest auf Menschen, deren Geist noch offener war für all die nicht erklärbaren Wunder und heilsamen Mittel. Aus der ganzen Umgebung strömten die Bauern und Handwerker, die Männer und Frauen herbei, um das Erlebnis der Heilung und Wunder nicht zu verpassen. Das Lamone Tal hinauf, rechts und links aus den bewaldeten Seitentälern und von den einzelnen Gebirgsbauernhöfen kamen die Leute, um einige gute Heilmittel mit nach Hause nehmen zu können. Seit Wochen hatte sich die Ankunft der Gaukler angekündigt, erfuhr Bianca. Wie eine geheimnisvolle Botschaft verbreitete sich die Nachricht über das Land. Viele Bauern mussten noch vor Sonnenaufgang aufgebrochen sein, um rechtzeitig an der Piazza Santa Maria degli Angeli eintreffen zu können. Bald würden sie schon wieder aufbrechen müssen, um noch vor Sonnenuntergang ihr Heim erreichen zu können. Daher hatten die Akteure längst alles vorbereitet, die kleine Bühne zwischen der Kirche und der Osteria degli Angeli am Abend vorher aufgebaut und konnten noch vor dem Mittagsläuten mit ihrer Vorstellung beginnen. Wenn beim Höchststand der Sonne die Gläubigen von den Glocken zur Frömmigkeit ermahnt wurden, war eine kleine Pause im Programm vorgesehen, die auch den Akteuren ein wenig Luft zum Atmen versprach.
    „Lass uns weiterziehen“, drängte sie ihren Begleiter, „auch die Schergen Lucrezias könnten sich unter das Volk mischen. Außerdem wollen wir vorankommen.“
    „Wo sonst könnten wir eine solche Schau für das Volk noch erleben?“, fragte er sie. „Unseren Füßen täte eine Erholung gut. Vielleicht haben die Scharlatane eine gute Fußsalbe, die wir erstehen könnten.“
    Der Platz hatte sich gefüllt, bis in die Straßen hinein standen und schwatzten die Leute. Einige Geschickte nutzten die Gelegenheit, an kleinen Ständen selbst ihre Waren an den Mann oder die Frau zu bringen.
    „Latte, donne, latte fresca“ (Milch, Ihr Frauen, frische Milch) rief ein Bauer. Die beiden Mönche sahen einen unrasierten Händler mit nackten Füßen, einer zerrissenen Hose, die nur gerade bis zu den Knien reichte, dafür aber mit einem Holzbein. Er trug einen breitkrempigen, verwegenen Hut auf dem Kopf. Die Hemdsärmel hatte er bis über die Ellbogen aufgerollt, stolz zeigte er seine braune, behaarte Brust. Mit rauer Stimme rief er immer wieder.
    „Aborrite costui vel lascio scritto, donne“. Seine Bänder und Nadeln, die er mit diesen Worten anbot, fanden einen reißenden Absatz. Vor der Hauswand der Osteria führte eine kleine Gruppe mit einem Sänger, einem Gitarrespieler und einem Geiger die Moritat einer ermordeten Jungfrau auf. An der Wand waren die Bilder in erschreckender Klarheit zu erkennen, auf die der Sänger im Fortgang zeigte.
    „Pietro höre gut zu, wie man so etwas macht“, stieß Bianca ihren Mönchsbruder flüsternd an und lachte dabei in sich hinein. Pietro schaute aufmerksam auf den Bänkelsänger. “Sie weiß vielleicht nicht einmal wie nahe sie der Wirklichkeit kommt”, gingen verrückte Gedanken durch seinen Kopf. Den strapaziösen Weg, diese wie er meinte unnötige Flucht, ihr ständiges Vorantreiben hatte er

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