Der Schwur der Venezianerin
umliegenden Dörfern zogen sich nach dem erfolgreichen Einkauf zurück in ihre Gemeinden und auf ihre Höfe, berichteten mit heißen Köpfen von den Wunderdingen, die sie allesamt erlebt hatten. Andere schwatzten noch eine Weile in den Osterie, bis sie in ihre Hütten zurückkehrten. Die Scharlatane brachen ihre Bühne ab und fuhren zur nächsten Vorstellung.
Für alle war es ein Tag, der ihnen die Erfüllung von Träumen und eine Beruhigung für die Zukunft geschenkt hatte.
Die beiden Bettelmönche wandten sich um, ihren Weg noch am frühen Nachmittag in die Höhen des Lamone Laufes fortzusetzen.
„Wir haben uns hier zu lange aufgehalten“, forderte Bianca den Pietro zum Weitergehen auf, „die Sonne hat längst wieder ihren Zenit überschritten, wir haben viel vor uns.“
„Eine Pause sei Euch vergönnt, Ihr habt sie verdient“, erschreckte sie eine tiefe Stimme hinter ihnen.
Verängstigt fuhren ihre Köpfe herum und sahen einem Fremden mit dunklem Bart direkt ins Gesicht. Er schaute mürrisch und schien froh darüber, die Flüchtigen endlich erwischt zu haben. Sie hatte den Soldaten nie im Hause Cappello gesehen. Seine aufmerksamen Augen achteten auf jede Bewegung der beiden Mönche und ebenso, was sich in ihrer Umgebung tat. Kurz dahinter beobachtete ein Mann die Szenerie. Vielleicht ein zweiter Wächter, der auf sie aufpassen sollte.
„Verzeiht, fromme Brüder, sagte der Mürrische, „ich habe einen Auftrag, eine Pflicht unseres hohen Herrn von dort oben auf der Burg.“ Er wies mit seinem bewaffneten Arm auf die höchste Erhebung hinter der Piazza. „Ich soll Euch eine Einladung überbringen, mit ihm zu Abend zu speisen und in seiner Burg zu nächtigen.“
„Das wird eine schöne Einladung sein“, murmelte Pietro, und Bianca dachte: „Eine hässliche Art Gefangene zu machen, er sagt: ‚Ich lade Euch ein, meint aber Ihr seid verhaftet.“
Sie schaute hasserfüllt auf den Soldaten, der auch noch zu grinsen anfing. Dabei musste sie sich zurückhalten, um nicht Pietro anzuschauen, sonst hätte sie ihm ihr Missgeschick wütend angelastet.
„Welches Unheil stellte sich hier ein? Sie wurden mit einem üblen Trick gefangen genommen. Sollten sie nicht lieber entwischen oder zumindest bei den Bauern um Hilfe rufen?“ Blitzschnell dachte Bianca nach. „Es wäre nicht gut, viel Aufmerksamkeit zu erzielen, alle Welt auf die Lügen mit ihren Kutten hinzuweisen und gesteinigt zu werden.“
Wie würden es die Gebirgler aufnehmen, die frommen Leute aus den Tälern und einsamen Bergdörfern, deren uneingeschränkten Glauben sie bei den Vorstellungen der Scharlatane kennengelernt hatten?
Wie dachte Pietro darüber?, fragte sie sich. Sie blickte zu ihm und erkannte seine völlige Verwirrung. Pietro geriet in Panik. Seine Lippen zitterten. Seine Augen flehten um die ersehnte Ruhe und das Ende der langen Fußreise.
Unter Beobachtung des Soldaten zu fliehen schien ihr unmöglich. „Es wäre ratsamer, sich auf dem Weg zur Burg eine Rettung zu überlegen.“ Sie nickte Pietro zu, und sie folgten dem Ritter, der vor ihnen her schritt.
Es machte keinen Sinn nach Wenn und Aber zu fragen und die Schuld bei dem anderen zu suchen. Es galt jetzt ihre ganze Konzentration auf die Möglichkeit zu lenken dem Soldaten zu entkommen. Ein Blick auf den Rücken des starken Mannes ließ sie erkennen, wie aufmerksam er war. Auf der Flucht erschossen zu werden, war das Letzte, das sie sich wünschte.
Der Weg war steil. Es schien, als sollten sie den Gipfel eines sehr hohen Berges erklimmen.
Drei felsige Spitzen ragten vor ihnen in den Himmel. Der eine trug einen hohen Turm, in dessen Spitze sich sichtbar eine Glocke befand. Auf dem zweiten stand, hoch erhoben, die Madonna del Monticino. Auf dem dritten Fels, den sie nun zu besteigen hatten, erhob sich die Rocca, eine drohende Festung aus vergangenen Zeiten.
Sie schnauften, und schon machte ihnen der Sack auf dem Rücken Schwierigkeiten. Der Ritter aber ging ihnen voran, als strebte er über eine Piazza geradewegs in die nächste Osteria. Sie mussten beide verschnaufen, hielten an und konnten sich noch nicht einmal besprechen, da ihnen die Luft nicht ausreichte. Dazu war der Pfad recht schmal geworden. Sie mussten hintereinander her schreiten. Es schien, als führte er alleine zu der Spitze dieses Berges. Ein zurück war nicht mehr möglich, von ‚oben‘ so schien es, war die Landschaft völlig einzusehen.
Ihre Herzen klopften wie ein Hammerwerk, als sie den Gipfel
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