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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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bedurft. Manfredi hatte die nächsten Worte schon formuliert und brauchte sie nur noch auszusprechen.
    „Wir haben es allenthalben mit Herrschsucht, Habsucht, mit Wollust und dem Genuss der Macht zu tun. In Florenz und in Venedig sind wir in einem Tollhaus der Süchte. Heutzutage ist ein Handelsunternehmer gleichzeitig Banker. So hat er die Waren und das Geld im Griff, kann machen, was er will. Und er macht, was er will. Die Medici der jetzigen Generation sind Weichlinge. Sie bevorzugen das warme Bett einer schönen Frau, mehr als das, das warme Bett jeder schönen Frau, aus dem sie sich nicht mehr hinausbewegen möchten. Das gilt sowohl für Cosimo als auch für Francesco, seinen Nachfolger. Dafür gibt es genug Beispiele, Bianca. Ihr werdet in Florenz die größten Chancen haben“, fügte er zynisch an.
    „Macht Ihr mir die Schönheit zum Vorwurf?“, fragte ihn Bianca.
    „Ihr wisst, dass es nicht so ist“, lächelte er, „eher will ich damit die Reichen und Mächtigen dieser Welt charakterisieren. Sie glauben, weil sie sich finanziell alles leisten können, sind sie gleichzeitig die besten Menschen. Das aber ist einer der größten Irrtümer dieser Welt, auch der Päpste. Von denen noch am ehesten. Wenn ihr die Geschichte Eurer Familie studiert habt, und ich habe sie studiert, dann wisst ihr, wovon ich rede.“
    Bianca lächelte und dachte an ihre Flucht und die Gründe dafür.
    „Was macht Ihr hier oben auf der Burg, abgeschieden von der Welt und einsam. Ein Mensch mit Eurer Einstellung und Eurer Redegewandtheit sollte durch die Länder ziehen und seine Gedanken an die Menschen weiter tragen.“ Sie dachte dabei an Balzano.
    „… und sich von der Inquisition foltern, anschließend von den staatlichen scheinbar unabhängigen Gerichten rädern lassen. Da bleibe ich lieber hier oben und helfe dem einen oder anderen, der sich gegen die Mächtigen stellt. Ich ziehe den Zorn der Reichen auf mich, die Kirche bedroht mich und doch arbeite ich für sie in der Verwaltung. Alle Drohungen sind Säbelrasseln. Die Beherbergung von Euch beiden Flüchtlingen ist ein Sieg meiner Einstellung und Fürsorge.“
    „Erzählt mir mehr über Florenz, Graf. Ihr scheint in den Geschichten aller großen Häuser bewandert zu sein.“
    „Die Worte, die ich vorhin gewählt habe, beinhalten alles, Signorina. Herrschsucht, Habsucht, Wollust vielleicht noch Überheblichkeit.
    Ein Mensch, der so lebt, bringt sich selbst ins Grab. Er vernichtet sich und seine Familie. Die Venezianer kennt Ihr ja offensichtlich. Wenn Ihr nach Florenz kommt, schaut Euch die Medici genauer an. Cosimo und Francesco sind schon die nächste Generation der Weichlinge. Vielleicht erholt sich die Familie ja noch einmal, dann aber wird es abwärts mit ihr gehen. Cosimo ist nur hart, wenn er andere vorschickt“, Manfredi hob seine Hände gegen den Himmel. „Mit Härte meine ich auch nicht, hart gegen andere, eher hart gegen sich selbst. Von sich selbst viel zu verlangen, um anderen zu helfen, das sollte unser Prinzip sein und nicht das des Machiavelli. Dieser sogenannte große Schriftsteller liegt in seiner Beurteilung der Menschen völlig falsch“, er schaute Bianca an und wusste, dass sie den Machiavelli studiert hatte.
    Manfredi sah eine Möglichkeit, endlich mal wieder seine Kritik an den Herrscherhäusern loszuwerden.
    „Ein Mensch, der sich auf das Machtgehabe der Medici einstellt, eine Frau ist und noch dazu so hübsch wie Ihr, dem stehen alle Tore offen.“
    „Schön wäre es“, dachte Bianca, „das käme ihr entgegen.“
    „Ihr scheint daran zu zweifeln“, sagte diese ehrliche Haut vor ihr, „doch es ist so. Ihr werdet Euch später an meine Worte erinnern.“
    Er machte eine kleine Pause und sagte dann:
    „Wir sollten jetzt zu Bett gehen, Ihr habt morgen einen anstrengenden Tag vor Euch.“
    Manfredi betätigte ein Zugband und Flora erschien. Die hübsche Ägypterin begleitete Bianca in ihr Stockwerk.
    Da die frischen Kleider und das eng geschnürte Mieder eine dritte Hand benötigten, ließ sie sich beim Auskleiden von der jungen Frau gerne helfen und ermutigte sie mit einem Streicheln über den Kopf. Flora hörte auf, rot zu werden, es begann für die hübsche junge Frau ein natürliches Abenteuer. Bianca überlegte sich, „warum sie noch mit dem Nörgler Pietro zusammen wäre, wo es doch auch andere Abwechslungen gäbe.“
    Manfredi saß vor seinem Becher Wein und schlürfte genüsslich. Er wusste, dass sich in seinem Turm die beiden

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