Der Schwur der Venezianerin
gewissermaßen nicht auf der Straße befindet.“
Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr ihre Füße schmerzten, wie sie den Weg vor sich schon beendet haben möchte. Die Versuchung war zu groß. So blickte sie friedlicher in das Gesicht des Grafen.
„Ich sehe, Ihr seid nicht mehr so feindselig“, spottete er. „Wir wollen uns gegenseitig nichts vormachen. Wisst Ihr, hier auf dem Lande, ist man nicht ehrlicher als bei Euch in der großen Stadt. Wir aber sind direkter und selbst im Bösen gradliniger“, dabei lachte er wieder seine unnachahmliche, brutale Lache.
„Ich nehme Euer Angebot an, Graf, und ich danke Euch dafür.“
Sie hatte eine Entscheidung getroffen und hoffte es wäre die richtige.
Manfredi geleitete sie die schmalen Stufen wieder hinab, erklärte ihr dabei den spartanischen Aufbau der kleinen Festung.
„Wie Ihr seht, gibt es zwei Türme. In dem niederen sind einige Soldaten und Boten untergebracht.“
„Boten nennt Ihr Eure Spione“, bemerkte Bianca zynisch. Doch ging er darauf nicht ein.
„In dem größeren Turm, von dem wir eben hinabsteigen, befinden sich fünf Räume, die alle übereinander liegen. Sie haben naturgegebenermaßen die gleiche Größe. Jeder der Räume hat ein eigenes Deckengewölbe, das heißt, er ist besonders abgesichert und hoch genug. In dem ersten Raum, den wir nach der Sitte der Palazzi aber eher scherzhaft Piano Nobile nennen, ist der Kamin, die einzige Möglichkeit in dem Turm ein Feuer zu machen. Dort habe ich Euch empfangen. Direkt darüber liegt ein Schlafraum und darüber noch einer, in dem Ihr schlafen könnt, und noch eine Treppe höher kann Euer Mönchlein die Nacht verbringen, es sein denn Ihr wollt …“
Mit einer schweigenden Handbewegung löschte sie sein Ansinnen aus.
Sie waren inzwischen wieder im Piano Nobile angelangt.
Manfredi ließ ihr einen Holzbottich in die Schlafkammer bringen und ihn mit warmem Wasser füllen. Eine Zofe gesellte sich zu ihr und bot ihr Hilfe beim Baden an. Bianca ließ umgehend die Kammer von innen verriegeln.
Die Zofe lachte ob dieser Vorsichtsmaßnahme.
„Signorina geht davon aus, der Herr meint es gut und ehrlich mit Euch. Er will Euch beschützen, macht Euch keine Sorgen.“
Ein Mädchen von vielleicht zweiundzwanzig Jahren. Schlank und mit guter Figur ausgestattet. Ihre dunklen Haare, schwarze Brauen und tiefschwarze Augen wiesen auf ägyptische Abstammung hin. Sie hatte sich mit Flora vorgestellt und schaute fasziniert auf ihren Gast.
Pietro würde sich dieses Geschenk als Bademeisterin nicht entgehen lassen, dachte Bianca. Zum Glück ging die unheimlich wirkende Fürsorge des Hausherrn nicht soweit, dass er ihr einen Bademeister und Flora für Pietro vorgesehen hatte.
„Seid wirklich unbesorgt. Hier herrschen Sitte und Anstand“, wurde sie von Flora beruhigt. „Der Graf selber käme nie auf den Gedanken sich an einem anderen Weibsbild zu vergreifen, darüber hinaus sorgt er für Recht und Ordnung in unserer Burg. Ich kann mir keinen besseren Herren vorstellen. Niemals würde ich mit Venedig tauschen wollen.“
Die Zofe schwätzte, als sei sie froh, endlich einmal mit jemandem reden zu können.
„Einmal hatte ich die Gelegenheit, mich in einem Palazzo in Venedig zu verdingen. Ich fragte bei einer meiner Freundinnen nach, die seit längerer Zeit in Venedig arbeitete. Ja, sie hat mir abgeraten, die Venezianer Männer seien dauernd krähende Gockel, die den ganzen Tag den Kamm und die bunten Federn pflegten. Ein Weibsbild sei für sie immer dann gut, solange sie versuchten, es ins Bett zu ziehen. Anschließend krähen diese Herren eines Hühnerhofes, um ihre Eroberung zu feiern. Dabei sei es ihnen gleichgültig, ob die Frau verheiratet, ledig oder gar noch Jungfrau sei, oder selbst noch zu jung für die Liebe. Danach würde sie fortgeworfen, wie eine heiße Marone.“
„Nicht unrecht, was ihr da sagt, es könnten meine Worte sein.“
Die Zofe schaute sie ob des ungewohnten Lobes sorgenvoll an.
„Wie meint Ihr das?“
„So, wie ich es gesagt habe. Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen.“
Flora war geübt in der Pflege eines weiblichen Körpers. Bianca genoss den zarten Strich über ihre Brüste, ihren Bauch und ihren Rücken. Da diese junge Frau hübsch und recht ansehnlich war, dazu nach angenehmen Kräutern und Wässerchen duftete, ließ sich die Venezianerin die Berührungen gefallen. Sie erhob sich in dem Bottich. Das Wasser lief an ihr hinab, einzelne Tropfen perlten wie Edelsteine
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