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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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auf San Marco. Eine Träne lief über ihre Wangen. Das war wohl das Ende ihrer Freiheit. Sie sah einen klösterlichen Schleier über ihre Zukunft ziehen. Langsam wandte sie sich an Pietro, reichte ihm die Hand und verabschiedete sich schweigend. Noch einmal fielen sie sich um den Hals.
    „Ein solch schnelles Ende habe ich nicht gewollt“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Sie lösten sich voneinander und sie blickte wieder aus dem Fenster hinaus. Die herzogliche Kutsche hielt inzwischen vor ihrem Haus an. Zwei Gardisten mit Speeren in der Faust stiegen aus, schauten unten auf die Pforte. Pietro und Bianca hörten es auf der Treppe poltern. Die beiden Männer kamen schnell durch das Treppenhaus hinauf. Bianca stellte sich an die Tür. Sobald es klopfte, öffnete sie.
    „Ich stehe zu Ihrer Verfügung“, sagte sie kleinlaut, darf ich noch ein paar Sachen zusammenpacken?“
    Die Gardisten achteten nicht auf ihre Worte.
    Der Hauptmann blickte verlegen auf ein Blatt Papier, das er in Händen hielt. Dann richtete er seine Worte an Bianca.
    „Seid Ihr, Signorina, Bianca Cappello?“
    „Ja, das bin ich“, antwortete sie ergeben.
    Die beiden Gardisten nahmen die Habachtstellung ein. Der Anführer griff in sein Wams und holte ein zusammengerolltes Schreiben heraus, das er Bianca überreichte.
    „Selbst bei einer einfachen Verhaftung müssen die Regeln eingehalten werden“, sagte sie spöttisch und nahm das Schreiben des Herzogs an sich.
    Der Anführer der Gardisten grinste, sein Kumpan schaute, Unverständnis demonstrierend, die junge Frau an.
    Bianca versuchte, das Siegel zu erbrechen. Ihre Hände zitterten. Sie rollte mit beiden Händen das Pergamentpapier auseinander und hielt es, die linke Hand nach oben, die rechte nach unten, vor ihre Augen. Sie war an das glaslose Fenster getreten, um besser sehen zu können. Dann begann sie laut vorzulesen, dass auch Pietro den Wortlaut mitbekam.
    „…erlauben wir es Signorina Bianca Cappello ausdrücklich, sich in unserem Staat niederzulassen. Sie genießt, wie jeder Bürger des Staates Florenz den uneingeschränkten Schutz seiner herzoglichen Hoheit. Als Zeichen unserer Fürsorge werden die beiden Wachgardisten vor ihrem Haus Stellung beziehen …“
    Ihr Blick war Trübe geworden. Tränen hatten sich in den Augen angesammelt und daher war sie sich nicht ganz sicher, ob sie alles richtig gelesen hatte, und begann noch einmal:
    „…erlauben wir es …“
    Bianca stockte und blickte dem Gardisten direkt in die Augen. Er schaute sie verlegen an und sagte:
    „Signorina, Dürfen wir vor Ihrer Haustür Stellung beziehen?“
    Bianca griff mit ihrer rechten Hand an das Fensterbrett und hielt sich fest. Einen Augenblick schwankte der Boden unter ihren Füßen. Ihr wurde es schwarz vor den Augen. Das Papier drohte aus der Hand zu fallen.
    Dann atmete sie tief durch und besann sich der Bedeutung des Schreibens. Als sie sich des Sinns völlig bewusst geworden war, fühlte sie eine ungeheure Freude in sich aufsteigen.
    „Gardist, habt Ihr noch etwas zu sagen?“, fragte sie.
    „Signorina, der Herzog überlässt es Euch, ob Ihr die Wachen vor der Tür haben wollt. Ihr könnt Euch entscheiden.“
    Sie blickte den großen Mann an:
    „Die nächsten zwei Tage noch“, sagte sie, „dann dürfte es zunächst genug sein.“
    Die beiden Gardisten bezogen Posten vor der Haustür. Bianca setzte sich auf einen Stuhl. Sie schüttelte immer wieder den Kopf und blickte völlig sprachlos immer wieder auf das herzogliche Schreiben. Wilde Emotionen durchtobten sie. Ganz plötzlich hatte sich ihre Gegenwart verändert. Sie schaute zu dem glaslosen Fenster hinaus und wünschte sich nichts sehnlicher, als fliegen zu können. Sie wollte sich hinausbegeben über die Straßen und Plätze fliegen und ganz Florenz umarmen.

Der Alchemist in San Marco
    „Warum dieser Sinneswandel?“, formulierte sie in ihrem Kopf. Könnte sie jemals herausfinden, was sich im Palazzo Vecchio abgespielt hat?
    Was hatte mir Tante Gritti bei den Lehrstunden empfohlen, um die Welt zu erobern? Lerne den Mann, den du haben willst, kennen, seine Wünsche, seine Vorstellungen. Lass deine Vorstellungen so lebendig vor dir erscheinen, als wären sie bereits Wirklichkeit.
    Bianca informierte sich mit Inbrunst über das Leben Francescos.
    „Wie sein Vater Cosimo betreibt er die Alchemie. Er möchte Blei in Gold verwandeln, um noch mehr Macht zu haben, wenn er einmal dieses Elixier erstellen könnte, das ihm weiterhilft“,

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