Der Schwur der Venezianerin
schaute nur auf das klare, funkelnde Wasser dieses Baches und ersehnte sich den Tag, an dem er aus dem klaren Quell mit Freuden und Genuss schlürfen durfte. Wie sehnsuchtsvoll wünschte er sich den Tag herbei, der ihm das Grau seiner Seele ein wenig aufhellen würde.
War sie es, von der man seit einiger Zeit sprach, von der die Bänkelsänger in den Osterie in ihren schönsten Gesängen berichteten? War sie das Mädchen, dem die großen Künstler Tizian und Tintoretto ihren Zoll entrichtet hatten, mit der Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Doch niemals hätte er zugegeben, dass er schon vor ihrem Erscheinen in der Residenz von ihr gehört hatte.
Feurig entflammten die zarten Wangen der venezianischen Schönheit, Verständnis erhaschte er aus ihrem Blick, Zuneigung sah sie in seinen Augen.
Die Verfolgung ihrer Stiefmutter hatte Bianca in den Vordergrund gestellt, die Hilfe zur Freiheit durch Florenz hatte sie angefügt.
Bevor Francesco antwortete, sprach Cosimo:
„Bianca Cappello wie Ihr wisst, leben unsere beiden Staaten, Venedig und Florenz, im Handel von gegenseitigem Verstehen. Ich will und ich kann nicht dieses Einvernehmen durch eine unbedeutende Geschichte beschädigen. In solchen Fällen müssen private Interessen zurücktreten.“
Cosimo hatte gesprochen. Francesco verstand als Erster die Bedeutung seiner Worte. Noch war er nicht Politiker genug um die Worte an sich abprallen zu lassen. Vielleicht war er auch schon zu tief mit dem Wesen Bianca verknüpft. Sein Gesicht wurde nicht nur bleich, es fiel in sich zusammen.
Bianca erkannte wohl die schwierige Situation. Was sie jetzt nicht gebrauchen könnte, wäre ein Streit zwischen Vater und Sohn, den der Sohn und damit sie zwangsläufig verlieren musste. Zu oft hatte sie bei ihrer Rhetorikschulung bei Tante Gritti und dem Künstlerkreis der freien Frauen ähnliche Situationen diskutiert.
Sie lächelte Cosimo an und stellte wie selbstverständlich ihre Frage:
„Eure herzogliche Durchlaucht“, flüsterte sie ehrfürchtig, „wann darf ich mit Eurer Entscheidung rechnen?“
Cosimo blickte sie überrascht an. Hatte er nicht soeben, wenn auch auf Umwegen die Entscheidung getroffen? In seinen Augen erkannte sie den Macht fordernden Menschen.
„Wir werden Euch rechtzeitig benachrichtigen.“
Bianca erschrak heftig. Wenn sie mit allem gerechnet hatte, aber nicht mit der Ablehnung des Schutzes vor den venezianischen Häschern durch den toskanischen Staat. Unter den jetzigen Bedingungen blieb ihr nur übrig die Flucht nach Frankreich oder Österreich fortzusetzen. Vor der Tür machte sie sich noch einmal die Worte, die gefallen waren, klar.
Francesco soll die Schwester des Kaisers heiraten, Cosimo will sich nicht mit Venedig anlegen, das waren ihre Erkenntnisse, die ihr einen Schutz des Herrschers der Toskana versagen würden.
Mit der unendlichen Enttäuschung im Herzen begab sie sich zurück in ihr Heim.
„Wir haben noch nicht die amtliche Entscheidung aus dem Büro des Herzogs“, versuchte Pietro sie zu beruhigen.
„Wozu brauchen wir noch den Bestätigungsstempel, dass uns der Herzog im Stich lässt“, sagte Bianca enttäuscht, „er hat sich deutlich ausgedrückt, dass es für ihn keinen Grund gibt, sich wegen uns mit der Republik Venedig anzulegen. Trotz gewisser Streitereien, die immer wieder auftauchen, gibt es zwischen Venedig und Florenz enge Handelsbeziehungen, die er nicht gefährden will.“
Im Stillen fügte sie ein Argument hinzu, über das sie nicht mit Pietro reden wollte. Francesco, als leichter Vogel bekannt, hatte seine Begeisterung für Bianca zu offensichtlich demonstriert. Es war dem alten Fuchs, Cosimo, ganz bestimmt aufgefallen. Da er aus Staatsinteresse Francesco mit Johanna, der Schwester des Kaisers, vermählen wollte, würde er sich mit Bianca nicht noch eine Laus in den Pelz setzen. Vorsicht und Staatsräson wogen für Cosimo mehr als der Spaß, den Venezianern eins auszuwischen.
Bianca machte sich mit dem Gedanken vertraut bei jedem Schritt auf der Hut zu sein, wer in ihrer Nähe weilte. War es überhaupt möglich so zu leben?
Sie schaute betrübt aus dem Fenster hinaus. Ein Schock fuhr ihr plötzlich durch alle Glieder, als sie eine Kutsche mit den Herrschaftssymbolen der Medici um die Ecke biegen sah.
Hatte Lucrezia so schnell gehandelt, dass sie längst vor Biancas Antrittsbesuch den Herzog unter Druck gesetzt und ihn gezwungen hatte, Bianca auszuliefern? Jetzt würde sie abtransportiert werden.
Sie blickte
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