Der Schwur der Venezianerin
richtig. Wir stehen in der Pflicht dem toskanischen Staat gegenüber. Als Großherzogtum werden wir uns besser nach außen verteidigen können.
Francesco versank in Blässe. Er hatte noch nicht einmal die Chance, ein gutes Wort für Carnesecchi einzulegen.
Der Verlauf der Dinge setzte ein, wie er es nicht mehr beeinflussen konnte.
Cosimo versagte sich ein Gespräch mit seinem engsten Berater und dem Lehrer seiner Söhne. Francesco verweigerte jede Begegnung mit dem Gelehrten, weil es der Herzog der Toskana so wollte, wie er sich ausdrückte. Carnesecchi wurde als Bauernopfer in dem Machtkalkül des ums Überleben kämpfenden Medici Geschlechtes ausgetauscht. Er sah sich auch als Bauernopfer des um seine wirkliche Liebe besorgten Francescos.
In einer dunkel ausgeschlagenen Pferdekutsche, begleitet von zwei dumpf vor sich hinbrütenden Gardisten, wurde der Freund der Medici nach Rom überführt. Vor dem Wagen und hinter ihm ritten je sechzehn weitere Gardisten.
„Das ist zu viel der Ehre für einen, der vom Stellvertreter Christi gehenkt werden soll“, äußerte sich Carnesecchi. Der Offizier in seiner Kutsche lächelte verlegen.
Sein Vertrauen in die Familie d’Medici hatte ihn vor das Tribunal der Dominikaner gebracht. Die Folter zwang ihn zu allerlei Aussagen, die er stets widerrief. Im Oktober 1566 brannte auf dem Petersplatz ein großes Freudenfeuer für die Kirche. Für den unglückseligen Carnesecchi verbrannte in dem Feuer mit seinem noch lebendigen Körper der Glaube an die Menschheit und das Vertrauen in seine Freunde. Noch in den lodernden Flammen rief er aus:
„Ihr könnt meinen Körper verbrennen, meine Seele wird diese Schandtat dem gerechten Gott berichten, in einem Himmel, der nicht nur einer verderbten Qulicke gehört.“
Als hätten sie diese Worte direkt aus dem Munde Carnesecchis vernommen, verfielen die beiden Medici in eine seltsame Art der Apathie. Sie geizten nicht mit Vorwürfen voreinander über den jeweils geführten Lebenswandel. Der Ältere und der Jüngere hatten zu diesem Zeitpunkt ihr Leben aufgegeben.
„Ich habe ihn gemocht, diesen Carnesecchi“, trauerte Francescos Geliebte um den Freund des Hauses. „Er war ein edler Mensch, voller Güte und Liebe zu den Menschen, geradlinig und er hat aus seiner Überzeugung niemals einen Hehl gemacht. Was hat er eigentlich Übles angestellt?“
„Er war berühmt, war ein großer Geist, sorgte sich stets um das Wohl der Christenheit“, Francescos Blick verlor sich in der Weite. Seine braunen Augen hatten an Leuchtkraft verloren, „und er war ein Anhänger dieses Luther aus Deutschland.“
„All diese guten Eigenschaften haben ihn auf den Scheiterhaufen gebracht“, Bianca dachte darüber nach, wie schnell der Freund der Medici verraten worden war.
„Hast du nicht eine gewisse Pflicht gespürt, Carnesecchis Leben zu retten? War dir dein eigener Titel wichtiger? Gibt es nicht so etwas wie die Führsorgepflicht für ein Familienmitglied, für einen Freund oder einen Berater im Hause? Wenn ich mir vorstelle, du würdest mich an die Cappello in Venedig ausliefern, weil sie dir gute Handelsbeziehungen versprechen, dann läuft es mir kalt über den Rücken.“
„Das ist doch etwas anderes. Hier geht es um das kommende Großherzogtum Toskana …“
„Für das Ihr einen Freund in die Flammen geschickt habt.“
„Muss ich mich ab jetzt fürchten“, war Biancas geschlechtliches Abenteuer mit Francesco verleidet. Eines Tages werden sie mich gegen ein Stück Land im Apennin austauschen. Lucrezia würde in ihrem Hass selbst so weit gehen.
Francesco starrte in den Kamin, er riss einen goldbestickten Knopf seines Umhangs ab und warf ihn in das Feuer. In den Flammen sah Bianca einen alten Mann über dessen Gesicht und ergrautes Haar sich züngelndes Feuer fraß. Mit dem Knopf in den Flammen verlor ihr Francesco den ersten Edelstein aus seiner Krone, die er noch nicht aufhatte.
Der zukünftige Herrscher war nicht bereit, weiterhin darüber zu disputieren. Er starrte in die Flammen, sah sein Erbe vor sich, das er noch nicht einmal voll angetreten hatte, mit dessen Auswirkungen er sich aber schon jetzt auseinandersetzen musste.
Cosimo hatte seinem Sohn das Erbe vorgerechnet, das er für ihn, wie er sich ausdrückte, aufgebaut hatte.
„Mein Sohn, was hinterlasse ich dir? Denke daran, wie die Toskana bei meinem Regierungsantritt aussah, und was du jetzt vorfindest.
Du übernimmst gefüllte Kassen und ein jederzeit bereitstehendes Heer.
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