Der Schwur der Venezianerin
Carnesecchi ist ein nicht verhandelbares Subjekt.“
Als er seiner Geliebten später in Rom diese Worte wiedergab, war er noch immer stolz über seinen Mut. „Francesco, das hast du Pius V. gesagt? Ich bewundere dich“, lobte ihn Bianca ebenso später.
Noch aber musste er während der Audienz mit dem Papst verhandeln.
Pius V. kniff die Augen zusammen. Die Worte des sündigen Francescos hatten ihn tief getroffen. Das brauchte er sich von dem Bengel nicht sagen zu lassen.
„Prinz, das mag Euer Vater, der Herzog der Toskana, ja wohl glauben“, der Papst war wütend geworden, „wie steht es mit Euch? Noch wenige Jahre, und Ihr seid der Regent in Florenz. Was habt Ihr dann noch mit einem Carnesecchi zu schaffen? Euer Vater sollte sich mehr darum sorgen, wie viele der ermordeten Sieneser Frauen und Kinder sein Seelenheil bereits jetzt schon im Himmel verfluchen. Er kann nicht auch noch den Ketzer Carnesecchi auf seine Schultern laden. Für Euch aber wird es von außerordentlicher Bedeutung sein, ob Ihr Großherzog oder Herzog sein werdet.“
„Ich werde es mit dem Herzog bereden“, flüchtete sich Francesco in die Autorität des Vaters.
„Nein, Eure Hoheit, das Reden ist vorbei.“ In das Gesicht des Papstes war das Blut geschossen. Unwirsch fegte er jede weitere nutzlose Diskussion vom Tisch. „Wir werden jetzt handeln. Ihr seid der offizielle Vertreter der Toskana, so seid Ihr mir angekündigt worden. Euer Wort gebt ihr mir jetzt.“
Francesco wand sich unter den intrigantischen Hieben seines Gegenübers. Der alte Fuchs auf dem Thron der Heiligkeit war ihm um einiges überlegen. Zwar liebte auch er das Spiel der Intrigen, doch war er in seiner Lehre offensichtlich noch nicht ausgereift.
„Eure Heiligkeit, es wird in Eurem Sinne verfahren“, gab er den Gelüsten des Papstes nach. Er würde mit seinem Vater diesen heiklen Fall aushandeln müssen. Für Cosimo spielte Carnesecchi eine bedeutendere Rolle als für den Papst.
„Seht, Prinz Francesco, das ist ein kluges Wort“, lächelte Pius V., „es wird sich für Euch auszahlen. Ihr habt schnell gelernt. Ihr werdet ein einfacheres Leben haben. Wisst, der Carnesecchi ist nur eine unbedeutende Karte in diesem Spiel. Wertlose Karten werden von dem klugen Spieler ausgetauscht, damit der Gewinn nicht leichtfertig verspielt wird. Richtet seiner durchlauchtigsten Hoheit, dem „Großherzog“ der Toskana, die ehrenwertesten Glückwünsche seiner Heiligkeit zu seinem neuen Stand aus. Kronprinz, so darf ich Euch doch jetzt nennen, ich wünsche mir ausdrücklich, dass Ihr bei der Krönung des Großherzogs in Rom zugegen sein werdet.“
Francesco verließ die Audienz. Der Wolf lächelte schweigend. „Cosimo gut so, du schickst ein Kaninchen zur Verhandlung“, sagte er laut, nachdem der Prinz gegangen war.
Mit zwiespältigen Gefühlen ließ sich Francesco aus dem verhassten Gebäude verabschieden.
Er besprach die Angelegenheit mit Bianca in der Kutsche, als die Landschaften auf dem Heimweg an ihnen vorbei flogen.
Bianca hatte Carnesecchi kennengelernt. Ein feiner Herr, der weit davon entfernt war, ihr Vorwürfe zu machen. Im Gegenteil, er fragte sie viel über Venedig aus, über ihre Familie und die Lebensbedingungen in der Stadt an der Adria.
„Eines Tages werde ich dorthin ziehen, wenn mir der Wolf aus Rom das Leben zur Hölle macht“, hatte er ihr anvertraut. Sie verehrte den Lutheraner in der Residenz des katholischen Cosimos. Er war ein Mann, den sie wie Valeriano Balzano liebte.
„Francesco, so wie du mich gerettet und beschützt hast, so erwarte ich von dir, dass du meinen Freund Carnesecchi schützt. Gib dem Papst nicht in allem nach.“
„Ich werde mit meinem Vater darüber reden und von ihm verlangen meinen Lehrer zu schützen.“
„Du bist ein mutiger und gerechter Thronfolger, mein Geliebter, niemand kann dir das Wasser reichen.“
Er kam heim nach Florenz als Kronprinz der Toskana, als Erbe des Großherzogs. Einen guten Vertrauten, einen Ratgeber und persönlichen Lehrer und Freund hatte er noch kurz zuvor an die Inquisition ausgeliefert. Nach seiner Mutter verlor er nun den zweiten wahren Freund im Leben. Carnesecchi hatte ihm stets in schwierigen Entscheidungen zur Seite gestanden. Warum also hatte er ihn verraten? Er konnte sich keine Antwort darauf geben.
Als Francesco das Gespräch mit dem Papst beinahe wortwörtlich wiedergab, lächelte der Fürst. „Gut hast du gehandelt und verhandelt, mein Sohn. Deine Entscheidung war
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