Der Schwur der Venezianerin
einen wie dem anderen, das hatte er gesagt. Und sie vertraute ihm, der sich seit vielen Jahren mit der Alchemie befasste. Sie suchte nach der ewigen unvergänglichen Schönheit. Der Stein der Weisen war das Losungswort. Dabei wollte sie versuchen, ihm zu helfen. Ihre Zeit opfern gemeinsam mit ihm. Ihre Sucht, sich ihre Schönheit, ihre Begehrlichkeit auf ewig zu erhalten, war der tief gegrabene Brunnen, der nun den Zugang zu dem ewigen Quell für seine Füllung erforschte.
Über seine Wünsche hatte Francesco mit ihr gesprochen, die Wege jedoch hielt er verborgen. Die Formeln, die er in jahrelanger Arbeit ausgekundschaftet hatte, hielt er geheim. Das war der Ehrenkodex der Alchemisten. Für Bianca war es nur die Selbstsucht, die Dinge für sich zu behalten. Sie musste dort hinein. Sie musste den Zugang finden in die Studien im Studiolo, in die Werkstatt im Hof von San Marco. Noch viel mehr, sie musste an seine Formeln herankommen. An die Experimente, die er für gut und weiter verfolgbar erachtete, aber auch an die vielen Fehlschläge, die nur das Bewusstsein des Versagens und die Gefahr der Beschränkung gebracht hatten.
Das Studiolo, ein Hort der unerschöpflichen Lust, in dem Francesco seine körperliche Gier exzessiv auslebte, war ihr mit den vielen Gemälden nackter Frauenkörper und männlicher Kraft von Anbeginn an eine Wurzel der schönsten und abenteuerlichsten Erlebnisse gewesen. Dass es von nun an etwas gab, das sie noch mehr als alles andere dorthin zog, blieb ihr stilles Geheimnis. Allein der Gedanke, ihre Lust in der Umgebung der unübertrefflichen wissenschaftlichen Experimente ausleben zu können, versetzte sie in höchste körperliche und geistige Erregung.
„Das erste, schönste Erlebnis mit dir, mein Gebieter, wird mich niemals aus seinen Fängen entlassen“, wie eine kleine, Schutz suchende Katze lehnte sie sich an ihn und schenkte ihm das Gefühl der göttlichen Unerreichbarkeit.
Sie hatte das Thema gewechselt, als würde sie der „Lapis Philosophorum“ nicht im Geringsten interessieren. Das gerade war es, was ihn so an sie band, ihr Unbedarftsein, ihr Schutzappell. Eine grenzenlose Zuneigung zu diesem Herrlichsten aller Geschöpfe verknüpfte er mit einer lieblichen Zärtlichkeit und seine Lust, dieses schwache Geschöpf wieder zu nehmen, zu besitzen.
„Was war das schönste Erlebnis?“, dachte er laut nach.
„Nicht das Was? Spreche ich an. Es ist das “Wo”, das die Antwort gibt auf mein kleines Geheimnis“, lächelte Bianca.
„Komm, mein zartes Wesen, so lass uns den Ort mit der Antwort auf das „Wo“ ein weiteres Mal aufsuchen, auch mich halten die Erinnerungen dort gefangen.“
Nicht mit einem einzigen Gedanken suchte er nach diesem geheimnisvollen Ort der gemeinsamen Glückseligkeit. Er wusste sogleich, wo es war, führte sie über den geheimnisvollen Gang in den kleinen Raum neben der Sala dei Cinquecento. Nur er besaß den Schlüssel dazu. Nur er durfte das Studiolo betreten, das hatte er von Anbeginn seinem Vater abgerungen. Und auch von Anbeginn hatte er nebenan eine Geheimkammer, die auch in späteren Zeiten nichts anderes als seine Schlafkammer war. Schon seit Monaten war der große Vasari, Architekt und Maler, dabei gewesen, das Studiolo und die Geheimkammer umzubauen, sie lebensfreundlicher und künstlerisch wertvoller zu machen. Die Neugestaltung war längst abgeschlossen. Der kleine Raum nahm nun wieder die kostbaren Privatgegenstände des jungen Herrschers auf. Hier waren die Geheimnisse zu finden, nach denen sie suchte. Die Geheimkammer und das Studiolo waren mit einer kleinen Tür verbunden. In der Geheimkammer suchte er die Stille, die Ruhe, die Beschaulichkeit. Dorthin hatte er sich nun wieder mit ihr zurückgezogen. Die mit Bildern und Lederpolsterung abgeschirmten Türen ließen kein Geräusch von drinnen nach draußen dringen.
Mehr als dies wäre beinahe notwendig geworden, so wild, so grenzenlos zeigte sie ihre Bereitschaft, dass er ihre Liebe für unbegrenzt hielt. Sie forderte und forderte von Francesco den letzten Einsatz und verstand es, seine Gier und Begierde stets aufs Neue zu erregen. Die aufgestellten Kerzen waren längst bis zur Hälfte abgebrannt, als er um ein wenig Atempause bat und sich erschöpft zur Seite rollte. Sie verstand es, noch einmal seine Kräfte aufzurichten und all seine Sehnsüchte in einem einzigen Glied zusammenzufassen und sich ihrem Schoß zu schenken.
Francesco schlief längst auf dem kleinen Kanapee, als sie
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