Der Schwur des Maori-Mädchens
weder den schwarzen Satan, den sein Vater ihm betrunken entgegengeschleudert hatte, noch den Faustschlag würde er ihm je verzeihen. Und auch seine brutalen Prügel am nächsten Tag nicht. Sie waren quitt. Der Reverend und er. Warum sollte er es noch weiterhin mit den Pakeha halten? Wenn er allein daran dachte, wie ihn dieser widerliche Mister Hobsen zusammen mit den Hühnern in einen stockdunklen Stall gesteckt hatte...
Matthew gelangte nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis, dass es keinen vernünftigen Grund gab, heute Nacht nicht auf Seite der Maori zu kämpfen.
»Ich werde bei euch sein!«, erklärte Matthew nach einer Weile voller Überzeugung.
Das brachte ihm ein freundschaftliches Schulterklopfen Tiakis ein.
»Das freut mich, Bruder, nachdem wir doch bald eine Familie sind ...« Tiaki wurde rot. »Verzeih, ich sollte dich vielleicht erst fragen, ob es dir recht ist, wenn ich deine Schwester heirate.«
»Maggy?« Zu Tiakis großer Verblüffung brach Matthew in schallendes Gelächter aus. »Meine kleine Schwester? Gern, aber da musst du dich noch etwas gedulden. Wenn du mich fragst - sie ist noch ein Kind. Unsere Zieheltern haben aus ihr eine kleine Pakeha gemacht. Lass sie erst einmal aus Te Waimate zurückkommen und warte zwei Jahre. Dann ist sie so weit, dass sie heiraten und eine Familie gründen kann.«
»Ein, zwei Jahre, aber ...«, gab Tiaki fassungslos zurück.
»Die Geduld wirst du doch wohl aufbringen, Bruder. Vielleicht hat sie sich ja in Te Waimate gemausert und ist schon ein bisschen erwachsener geworden. Dann kannst du vielleicht sogar schon in einem Jahr vorbeischauen.« Matthew lachte immer noch.
»Wann hast du deine Schwester denn das letzte Mal gesehen?«, fragte Tiaki sichtlich verblüfft.
»Lass mich überlegen. Ja, das war am Tag von Henrys ...« Er stockte. »... im September, als ihr den Fahnenmast zum zweiten Mal gefällt habt«, erwiderte Matthew nichts ahnend.
»Und du sagst, da war sie noch ein Kind?«
Matthew lachte nicht mehr. »Ja, aber warum fragst du so seltsam? Und wann bist du eigentlich auf den Gedanken gekommen, meine kleine Schwester zu heiraten? Weiß sie schon von ihrem Glück?«
»Ich habe sie vor ein paar Tagen in Te Waimate gesehen ...«
»Und? Wie geht es ihr? Ich hätte sie so gern besucht, aber mein Ziehvater lässt mich kaum mehr aus den Augen, seit der Mast zum zweiten Mal gefallen ist.«
»Wieso? Du warst doch gar nicht dabei. Beim zweiten Mal, meine ich«, entgegnete Tiaki verwundert.
»Stimmt. Ich kam zu spät, aber mich haben die Soldaten aufgegriffen, und ich habe ihnen geschworen, zu Hone Hekes Leuten zu gehören.«
»Mensch, Bruder, und ich habe gedacht, du hättest Angst. Dann meinst du es also ernst mit heute Abend?«
»Was denkst du denn? Ich werde bei Einbruch der Dunkelheit am Fuß des Maiki sein. Mit einer Axt! Aber du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet. Wie geht es meiner kleinen Schwester? Und isst sie immer noch so viel? Sie war zuletzt ganz so, wie die meisten von uns die Frauen mögen ...« Matthew zeigte grinsend auf seine Hüften und deutete mit einer Geste an, dass er Fett auf den Rippen meinte.
Tiaki aber murmelte nur: »Ich muss mich beeilen, damit wir die Musketen rechtzeitig herbeischaffen. Wir sehen uns am Berg.« Dann wandte er sich hastig ab und eilte fort.
Matthew war so beseelt von der Aussicht, heute Abend an der Seite mit seinen Brüdern zu kämpfen, dass ihm nur am Rande aufgefallen war, wie verwirrt Tiaki ihn angestarrt hatte. Er deutete dies als Zeichen der Verlegenheit, weil der Freund ihn um Maggys Hand gebeten hatte. Matthew grinste in sich hinein. Es gab schlechtere Männer als Tiaki. Er war ein aufrechter Kämpfer und ein ansehnlicher Kerl. Jetzt habe ich ihn gar nicht gefragt, was Maggy dazu gesagt hat, ging es Matthew durch den Kopf. Wahrscheinlich hat sie gar nicht begriffen, was er von ihr wollte. Ich muss sie besuchen, ich muss sie unbedingt besuchen!
Zu Hause angekommen, zog sich Matthew in sein Zimmer zurück. Er wollte sich noch ein wenig ausruhen, denn es würde eine lange Nacht werden.
Als er aufwachte, brach bereits die Dämmerung herein, und Matthew sprang behände vom Bett auf und kleidete sich an. Dann schlich er sich auf Zehenspitzen aus dem Haus und hinüber zum Schuppen im Garten, um sich eine Axt zu besorgen.
Als er mit dem Werkzeug in der Hand zurück ins Freie trat, versperrte ihm Walter den Weg.
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