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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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nicht auf den Maiki gehst.«
      Matthew stöhnte laut auf. »Ich kann meine Brüder nicht im Stich lassen. Sie brauchen mich.«
      »Brüder? Ha! Dass ich nicht lache. Gut, wenn du nicht freiwillig darauf verzichtest, dann muss ich dich eben daran hindern.«
      Ohne weitere Vorwarnung packte Walter Matthew im Nacken und schob ihn wie einen unerzogenen Hund die Treppe hinauf bis zu seinem Zimmer, öffnete die Tür und stieß ihn hinein. Matthew hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde und sein Vater beschwörend rief: »Bitte, Junge, ich tue es für dich! Damit du dich nicht versündigst, und vor allem, damit sie dich nicht mit ihren Musketen erschießen können.«
      Dann entfernten sich seine Schritte, und Matthew ließ sich ermattet auf sein Bett sinken. Für einen winzigen Augenblick war jeglicher Kampfgeist in ihm erloschen, doch dann schweiften seine Gedanken zu Tiaki ab. Was würde der aufrechte Kämpfer sagen, wenn er seine Brüder trotz seines heiligen Versprechens schon wieder im Stich ließ? Und was würde Hone Heke über ihn denken, wenn ihm das zu Ohren kam?
      Entschlossen erhob sich Matthew von seinem Bett und öffnete das Fenster. Es war inzwischen dunkel geworden, aber der Mond schien in dieser Nacht hell, und tausend Sterne funkelten über dem Meer. Es war Matthew plötzlich so feierlich zumute, als ob Tangaroa, der Gott des Meeres, persönlich zu ihm sprach und ihn aufforderte, seinen Brüdern zu helfen.
      Er wagte einen Blick nach unten, und der Abstand zum Boden kam ihm plötzlich gar nicht mehr so groß vor wie sonst. Wenn er sich am Fensterbrett hinaushangelte und dann fallen ließ, würde ihm nichts geschehen. Dessen war er sich sicher. Er fühlte, dass die Ahnen an seiner Seite waren. Die Götter und die Ahnen. Sei mutig, Matui, du bist ein Krieger!, hörte er nun in seinem Innern die raue Stimme seines Vaters, des Häuptlings, wispern. Ohne zu zögern, kletterte er rückwärts aus dem Fenster und hielt sich am Sims fest. Er atmete einmal tief durch, bevor er sich fallen ließ. Es tat nicht einmal weh, als er mit dem Hinterteil zuerst im weichen Gras landete. In ihm jubilierte alles, doch er hörte keine frommen Kirchenlieder, sondern das Stampfen und Schreien der Krieger, wie sie es früher in seinem Dorf beim Haka getan hatten. Ihm war so, als wären sie alle mit ihm, alle jene, die von den Feinden gemeuchelt worden waren. Ja, sie waren bei ihm und würden ihn unterstützen, damit sie ihren Stolz auf ewig bewahren konnten.
      Während er sich aufrappelte, fühlte er sich unverletzlich und wie ein echter Krieger. Ganz leise drangen die Rufe aus seinem Innern nach draußen. Er stieß Kampflaute aus und klopfte sich mit den Fäusten gegen die Brust.
      Endlich wusste er, wer er war. Matui, Hone Hekes tama und Sohn des stolzen Maori-Prinzen Mataoro und seiner Frau, der Prinzessin Huritua. Er riss sich sein Hemd vom Leib und trommelte rhythmisch auf seinem nackten Oberkörper herum. Dazu begann er mit einem Singsang, den er aus seiner Kindheit kannte und der jetzt aus seinem Herzen nach außen drang, als hätte er nie etwas anderes gesungen. Ja, er war Prinz Matui, bis ihn eine eiserne Faust niederstreckte und er wie durch einen Nebel den breitbeinig über ihm stehenden Missionar zischeln hörte: »So haben wir nicht gewettet, Bürschchen!«
      Matthew konnte nichts mehr erwidern, weil ihm schwarz vor Augen wurde.
     
     

Te Waimate, Ende Februar 1845
     
    Miss Morton warf Maggy einen besorgten Blick zu. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihr Kind bekäme. Die junge Frau konnte sich kaum mehr aufrecht halten. Wie gut, dass sie Ripeka hat, dachte die Lehrerin. Die Maori kümmerte sich rund um die Uhr um die hochschwangere Maggy. Der werdenden jungen Mutter ging es nämlich überhaupt nicht gut. Seit sie vor einiger Zeit einen Brief aus Paihia erhalten hatte, brach sie bei jeder Gelegenheit in Tränen aus. Bella hätte zu gern gewusst, was Emily Carrington, die ihre Tochter noch nicht ein einziges Mal besucht hatte, ihr Schreckliches geschrieben hatte. Doch sie traute sich nicht, das ohnehin angeschlagene Mädchen noch zusätzlich mit neugierigen Fragen zu bedrängen. Und doch wollte ihr der Anblick der unglücklichen Maggy schier das Herz brechen. Wie jeden Abend saß das arme Mädchen mit verweinten Augen in einem Sessel und hielt jenen Brief in der Hand. Bella Morton mutmaßte, Maggy sei traurig, weil man sie nach Auckland abschieben wollte, denn Emily hatte ihr,

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