Der Schwur des Maori-Mädchens
Kammer bot eigentlich nur Platz für einen.
Erschöpft legte er sich auf das Bett. Während er noch überlegte, wie er sich wohl wach halten konnte, war er bereits eingenickt.
Russell (Kororareka), 11. März 1845
Matthew wachte erst auf, als der Morgen graute. Panisch fuhr er in seinem Bett hoch. Wie lange hatte er geschlafen ? Die Wanduhr zeigte halb vier Uhr. Er atmete erleichtert auf und dankte Gott, dass er ihn rechtzeitig hatte wach werden lassen. Gegen vier sollte das Treffen mit Hone Heke am Blockhaus stattfinden, um die Soldaten möglichst im Schlaf zu überrumpeln. Nicht auszudenken, wenn er zu spät gekommen wäre!
Was für ein grauer, nebliger Tag, dachte er, während er seine Schätze aus dem Koffer hervorholte und einen flüchtigen Blick aus dem Fenster warf. Noch nie war er an einem derart diesigen Morgen so gern aufgestanden. Er zog hastig seinen zerknitterten Anzug aus, in dem er geschlafen hatte, schlüpfte in den Kilt und legte den Umhang um die Schultern, das Geschenk von Hone Heke. Leider hatte er seinen Stock nicht mitnehmen können. Das wäre aufgefallen. Als er seine Schuhe vor dem Bett stehen sah, hielt er kurz inne. Um barfuß zu gehen, schien es ihm zu ungemütlich. Er entschied sich für die Schuhe und sah zum Abschluss noch einmal an sich hinunter. Der Anblick ließ ihn die Nase rümpfen. Er sah lächerlich aus und beschloss, die Schuhe kurz vor dem Ziel zu entsorgen. Auf leisen Sohlen schlich er aus dem Haus, das er zu seiner großen Erleichterung ungehindert verlassen konnte. Es war ungemütlich kalt dort draußen, und der Nebel hing so tief über dem ehemaligen Kororareka, dass er nicht einmal bis zur Bucht blicken konnte. Es herrschte eine gespenstische Stille, die nur durch den Ruf einer kleinen braunen Eule, des Morepork, unterbrochen wurde.
Doch als Matthew sich dem Strand näherte, hörte er immer lauter werdendes Gemurmel und konnte schließlich schattenhafte Figuren erkennen, deren rote Jacken keinen Zweifel daran ließen, wer sie waren. Es waren Soldaten, die dort am Strand lagerten und sich nun in Richtung des Maiki aufmachten.
Matthews Körper durchlief ein Zittern. Er konnte gerade noch rechtzeitig hinter einer Häuserecke in Deckung gehen. Die Männer marschierten aber so dicht an ihm vorbei, dass er sie um ein Haar hätte berühren können, wenn er sich nicht gegen die Holzwand gepresst und die Luft angehalten hätte. In seiner Verzweiflung zählte er sie. Es waren an die fünfzig schwer bewaffnete Soldaten.
Kaum dass ihre Schritte verklungen waren, ließ Matthew sich an der Häuserwand entlang zu Boden gleiten. Er kam sich schrecklich verloren vor und wusste nicht so recht, was er unternehmen sollte. Auf den Maiki kam er nicht mehr, wenn die Soldaten ihn jetzt besetzten. In das Haus der Hobsens wollte er nicht zurück.
Das peitschende Geräusch von Gewehrsalven riss ihn aus seinen Gedanken. Er sprang auf und lief auf die Straße, wo sich außer ihm kein Mensch aufhielt. Die Bewohner von Russell waren zwar von dem Lärm aufgewacht, aber sie trauten sich nicht aus ihren Häusern. Überall an den Fenstern tauchten verstörte Gesichter auf. Matthew holte tief Luft und lauschte. Die Kampfgeräusche kamen, wenn er sich nicht täuschte, vom südlichen Ortseingang. Waren das Kawitis Männer, die Kororareka von Süden her anzugreifen versuchten ? Er wollte sich nützlich machen, etwas tun, aber was? Das war jedenfalls kein harmloser Kampf um einen Fahnenmast mehr, das war Krieg. Matthew wusste beim besten Willen nicht, wohin er sollte. Er rannte die Straße einige Schritte in Richtung Süden entlang, um dann umzukehren und wieder auf den Maiki zuzuhalten. Von dort schallte lautes Getöse bis zu ihm herüber. Kommandos wurden erteilt, Namen gerufen, feste Schritte kamen immer näher, und da sah Matthew sie auch schon: die Rotröcke, die eben in Richtung Maiki abmarschiert waren, allen voran Kapitän Robertson. Sie waren zurückgekommen und hatten dem Berg den Rücken gekehrt. Matthew aber war so unschlüssig, dass er mitten auf der Straße stehen blieb. Der Kapitän ließ seine Leute anhalten und schrie: »Bist du wahnsinnig, Junge? Ich habe dich doch gestern in Hobsens Haus gesehen. Lauf sofort dorthin!« Dann packte er Matthew, stieß ihn aus dem Weg und ließ seine Leute weitermarschieren.
Wie betäubt rannte Matthew ihnen hinterher, bis sie die Kirche erreichten. Jetzt sah und hörte er Kawitis Männer, wie sie sich ihnen unter lautem
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