Der Schwur des Maori-Mädchens
mich gehen!«
Seine Frau aber lief, ohne sich noch einmal umzuwenden, nach draußen ins Freie. Die Tür ließ sie offen. John Hobsen, der in diesem Augenblick, eine weitere kleine Kiste mit Wertsachen unter dem Arm, die Diele durchqueren wollte, brüllte ihr hinterher: »Emily, du dummes Ding, willst du uns alle in Gefahr bringen?« Wütend stellte er seinen Kasten ab, schloss die Tür und verriegelte sie sorgfältig.
Als er nun Walter mit einem irren Blick auf sich zueilen sah, richtete er sich in seiner ganzen Größe vor ihm auf.
»Lass mich durch!«, schrie Walter.
»Dieses Haus verlässt du nur über meine Leiche!«, gab John Hobsen nicht minder lautstark zurück.
»Das werden wir ja noch sehen.« Walter versuchte sich an dem mächtigen Kerl vorbeizudrücken, doch der versetzte Walter einen gezielten Fausthieb auf die Nase, der den Schwiegervater seiner Tochter auf der Stelle niederstreckte.
»Du Schwachkopf!«, schimpfte John Hobsen, während er Walter hochhelfen wollte, doch der rührte sich nicht. »Schwachkopf«, wiederholte der grobschlächtige Mann, packte Walter unter den Achseln und schleifte ihn in den Keller hinunter.
June schrie auf, als sie ihren blutverschmierten Schwiegervater erblickte.
»Was ist geschehen?«, fragte Henry, der langsam aus seinem Rausch erwachte. »Sind die Maori schon hier? Haben sie ihn so zugerichtet?«
»Nein, ich musste ihn vor sich selbst beschützen. Deine Mutter ist wahnsinnig geworden und nach draußen gerannt. Er wollte ihr folgen, aber das konnte ich gerade noch verhindern«, erklärte John Hobsen mit einem verächtlichen Blick auf Walter, der jetzt leise zu stöhnen begann.
Maiki Hill, nur wenig später, 11. März 1845
Hone Heke hatte die Krieger nach seinem großen Triumph um sich versammelt. Stolz sah er in die Runde. An Matthew blieb sein Blick hängen, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Matui, tama, schön, dass du bei uns bist. Begleitest du mich nach Kaikohe?«
Matthew überliefen eiskalte Schauer. In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er keinen einzigen Gedanken daran verschwendet hatte, was danach sein würde. Sein ganzes Trachten hatte allein diesem Augenblick gegolten: Hone Hekes abermaligem Sieg!
Der Häuptling musterte ihn so intensiv, als könne er ihm auf den Grund der Seele blicken. Ich kann doch gar nicht mehr zurück zu den Carringtons, erkannte Matthew. Es ist Krieg, und ich kämpfe auf der Seite ihres Feindes. »Ich komme mit, aber nur wenn wir vorher meine Schwester aus Te Waimate abholen. Ohne sie werde ich nicht gehen.«
»So soll es sein«, erwiderte Hone Heke und forderte die Krieger auf, ihm nach Kororareka zu folgen, um Kawiti zu helfen, die Rotröcke auf ihre Schiffe zurückzutreiben. Dann wandte er sich noch einmal zu Matthew um und hielt ihm eine Muskete hin.
Matthew war viel zu verblüfft, um zuzugreifen.
»Nun nimm sie schon!«, befahl Hone Heke eindringlich. »Wir sind im Krieg.« In diesem Augenblick erklang ein lauter Knall, der die Erde erbeben ließ.
Zögernd nahm Matthew das schwere und lange großkalibrige Vorderladegewehr an sich.
»Komm, Bruder, ich bleibe in deiner Nähe«, ermutigte ihn plötzlich eine bekannte Stimme.
Erfreut fuhr Matthew herum. »Tiaki, wo kommst du denn her?«
Der Freund lachte. »Ich habe die ganze Zeit neben dir gestanden, aber du hast wie wir alle verzückt dabei zugesehen, wie Hone Heke das Eisen bezwungen hat. Aber sag mal, du willst Maggy wirklich mitnehmen nach Kaikohe?«
»Ja, und wenn du sie in zwei Jahren immer noch heiraten willst, gebe ich sie dir zur Frau. Versprochen«, lachte Matthew, doch dann verging ihm das Lachen. Ganz in der Nähe wurde geschossen. Die Rotröcke waren im Anmarsch.
Hone Heke aber feuerte seine Krieger an, sich ihnen mutig entgegenzustellen. Sie antworteten ihm mit einem rhythmischen Gesang: »Ka mate, ka mate! Ka ora! Ka ora! Ka mate! Ka mate! Ka ora! Ka ora! Tenei te tangata pühuruhuru. Näna nei i tiki mai whakawhiti te rä. Ä, upane! Ka upane! Ä, upane, ka upane, whiti te ra!«
Als sie die Worte wiederholten, während sie sich dem Feind immer mehr näherten, stimmte auch Matthew mit ein. Er war wie im Rausch.
Sie waren jetzt am unteren Blockhaus angekommen, in dem ein Dutzend Rotröcke dazu abgestellt worden war, den Hügel zu bewachen, doch nun lagen sie allesamt vor der Hütte in ihrem Blut.
»Wir haben sie auf dem Weg nach oben besiegt«,
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