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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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vor ihnen ein Ort auftauchte. Vivians Herzschlag beschleunigte sich spürbar. Das also war der Höllenschlund des Pazifiks, ging es ihr durch den Kopf, aber sie versuchte ihre Aufregung zu verbergen. Ben sollte nicht merken, dass sie viel mehr über diesen Ort wusste, als er ahnte. Allerdings war sie ein wenig enttäuscht, dass so gar nichts an die ehemals wilden Zeiten erinnerte. Im Gegenteil, Russell war ein verschlafenes kleines Nest. Kein Wunder, dachte sie, es wurde ja damals bis auf die Grundmauern niedergebrannt und die Bewohner nach Auckland gebracht. Nur noch wenige Gebäude erinnerten sie an Matuis Beschreibung. Besonders die alte Kirche, auf deren Friedhof Matui, hinter einem Grabstein versteckt, einst Zeuge der Kämpfe geworden war.
      »Sie müssen wissen, dies ist die Wiege des heutigen Neuseelands«, erklärte ihr Ben. »Der Ort war einst, in den Achtzehnhun-dertdreißigerjahren, ein berüchtigter Flecken Erde, an dem das wilde Leben tobte. Walfänger, entflohene Strafgefangene und allerlei Abschaum trieben hier ihr Unwesen. Charles Darwin hätte bei einem Besuch dieses Ortes im Jahr achtzehnhundertfünfunddreißig beinahe an seiner Evolutionstheorie gezweifelt. So sehr schockte ihn die Mischung aus käuflichen Damen, entflohenen Strafgefangenen und grobschlächtigen Walfängern. Damals hieß der Ort noch Kororareka.«
      Genau, und damals hatte er den Beinamen Höllenloch des Pazifiks, setzte sie in Gedanken hinzu.
      Ben parkte den Wagen vor einem weißen Holzhaus mit einer großen Veranda. Das heruntergekommene Gebäude sah sehr alt aus. Ob es das berüchtigte Hotel Kororareka ist, in dem die hübscheren Maori-Mädchen auf ihre Freier gewartet haben?, fragte sich Vivian.
      »Schauen Sie! Dort drüben auf der anderen Seite liegt Paihia! Und sehen Sie das Haus rechter Hand in der benachbarten Bucht ?«
      Vivian nickte.
      »Das ist das berühmte Versammlungshaus. Dort wurde zwischen den Briten und den Häuptlingen der Northlands der Vertrag von Waitangi geschlossen.«
      Ich weiß, auch Hone Heke hat ihn damals unterzeichnet, dachte Vivian, aber sie behielt ihr Wissen für sich und blickte sich statt-dessen verwundert um. Der Ort wirkte wie ausgestorben.
      »Wo haben sie denn nun die Leiche gefunden?«, fragte sie ungeduldig.
      »Das wüsste ich auch gern«, erwiderte er und sah sich ebenfalls um. »Ich sollte mal jemanden fragen, aber wen?«
      In diesem Augenblick kam ihnen eine Gruppe von bärtigen, grimmig dreinblickenden Männern entgegen. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, waren es Fischer.
      Ben straffte die Schultern und trat auf sie zu. »Ich suche das Haus, in dem sie die Leiche gefunden haben«, erklärte er freundlich.
      Einer der Männer deutete nach Norden in Richtung des Berges, der sich hinter der Stadt erhob.
      »Sie sind alle drüben in Oneroa«, fügte ein anderer hinzu. Dann trotteten die Männer weiter, als ob sie das alles gar nichts anging.
      Doch dann drehte sich einer von ihnen um und rief ihnen zu: »Da kommen Sie mit dem da nicht hin!« Er deutete auf den Wagen. »Ein Wunder, dass Sie es überhaupt bis hierher geschafft haben. Na ja, es regnet nicht. Dann wären Sie mit Sicherheit stecken geblieben. Sie müssen dem Weg folgen, sich dann rechts halten, den kleinen Hügel überqueren, dann kommen Sie am Strand raus. Und dort in einem verfallenen Haus haben sie ihn gefunden.«
      »Ihn?«, hakte Ben nach.
      »Na ja, eine Frau ist es offenbar nicht. Bei der Größe«, erwiderte der Fischer grinsend und wandte sich grußlos wieder den anderen zu.
      Ben stöhnte laut auf. »Das hat mir noch gefehlt. Eine Wanderung zu machen bei der Hitze.«
      »Ich denke, Sie machen für eine gute Reportage alles«, scherzte Vivian.
      »Na, dann kommen Sie.« Er blickte an ihren Beinen hinunter und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie sind auch noch eine praktische Frau, denn Sie haben die richtigen Schuhe an. Alle Achtung.«
      Der Weg am Wasser entlang war angenehm, denn hier wehte eine leichte Brise zu ihnen herüber. Vivian blickte immer wieder nach rechts. Vielleicht stand dort noch das Haus der Hobsens, doch da fiel ihr ein, dass dieses ja an jenem Märztag einer schrecklichen Explosion zum Opfer gefallen war. Irgendwie wirkte alles ausgestorben. Vivian konnte sich kaum vorstellen, dass an diesem Ort einmal das Leben getobt hatte.
      Am Fuß des Hügels stand eine ganze Reihe von Pferdewagen.
      »Die sind offenbar allesamt auf dem Gaul über den Berg

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